Dienstag, 9. Juli 2013

Gespensterschiff

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Buchbesprechung Carey, Diane: Gespensterschiff. Heyne, 1987/1990.

Story: Schwarzes Meer, 1995. Der sowjetische Superflugzeugträger "Gorschkow" pflügt sich majestätisch seinen Weg durch die sauerstoffarmen Wellen des Schwarzen Meeres. Das atombetriebene Schiff repräsentiert den gesamten maritimen Stolz der Großen Vaterländischen Seestreitkräfte. Kein Wunder, denn mit an Bord befindet sich ein hypermoderner Pulsator, der feindlichen, westlichen Raketensystemen im Null-Komma-Nix den Garaus machen kann.
Doch just in dem Moment, in dem Captain Reykow und sein erster Offizier Vasska die neue Wunderwaffe zur Erbauung der mitgereisten Funktionäre ausprobieren, kommt ein riesiges fremdes Wesen auf sie zu. Ehe die beiden Männer überhaupt reagieren können, zerstört es das Schiff, tötet alles Leben an Bord und saugt die Seelen der sterbenden Crew in sich auf. Über dreihundert Jahre fristet die Crew, eingesperrt in ein einsames Gefängnis, eine qualvolle Existenz, bis das mächtige Wesen einen neuen Gegner ins Visier nimmt: Ein frisch eingeweihtes Raumschiff mit der Bezeichnung USS Enterprise NCC-1701-D. Reykow selbst erscheint als körperlose Emanation auf dem fremden Kreuzer, um die frisch zusammengewürfelte Crew zu ermutigen, den Kampf gegen das Wesen aufzunehmen. Doch obwohl die unbekannte Besatzung sogar einen telepatischen Counselor in ihren Reihen hat, gelingt es ihr nicht so recht, zu verstehen, was Reykow und seine gepeinigten Genossen von ihnen wollen.
Wird es dem fremden Captain Jean-Luc Picard gelingen, sie aus ihrem Verlies zu befreien und sie von ihrer grausamen, körperlosen Existenz zu befreien?

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Auf der Suche nach ewigem Frieden für die toten Überlebenden


Lobenswerte Aspekte: "Gespensterschiff" schlägt eine Brücke in eine spannende Phase der Erdgeschichte, die an Filme wie "Jagd auf Roter Oktober", "Hot Shots" oder "Der letzte Countdown" zurückdenken lässt. Im Spannungsfeld zwischen Marine-Romantik, kaltem Krieg und Völkerfreundschaft knüpft es an eine cineastische und literarische Traditionslinie an, die sich bereits mehr als einmal als schlüssiges Verkaufsargument entpuppte.
Warum auch nicht?
In dieser Kombination steckt ja auch eine Menge Potential und nicht von Ungefähr spielt ein Flugzeugträger namens Enterprise eine gewichtige Rolle im vierten Star-Trek-Kinofilm "Zurück in die Gegenwart".
Lesenswert ist dieses Buch jedoch in erster Linie ob der kleineren Details, die biografische Lücken zu den damals frisch eingeführten Charakteren der 'nächsten Generation' schließen. So kann man beispielsweise erfahren, dass Tasha Yar über litauische Wurzeln verfügt (vgl. S. 58), erhält Kenntnis über einen unterhaltsamen dunklen Fleck in William T. Rikers Beförderungsgeschichte (S. 40f.) und stellt überrascht fest, dass Deanna Troi ihren 'Imzadi' Riker in den ersten Folgen nur deshalb 'Bill' nannte, weil sie einem tief in ihr schlummernden Ödipuskomplex anhängt (S. 235f.).
Eben jene Halbbetazoidin, die in der ersten Staffel noch einen schweren Stand bei Schreibern und Altfans hatte, geht als klare Gewinnerin aus diesem Roman hervor. Soviel Platz zur Charakterentfaltung wie in diesem ersten eigenständigen Buch der TNG-Crew hatte die Bordpsychologin jedenfalls in keiner einzigen der sechsundzwanzig Folgen der ersten Staffel. Als Höhepunkt dieses Schaulaufens muss man die ebenso gelungene wie einfühlsame Schilderung ihre Eindrücke beim Kontakt mit fremden Lebensformen bezeichnen (vgl. S. 42).
Die Autorin scheut sich auch nicht, gleich in ihrer Widmung passiv ihre eigenen Fähigkeiten ins rechte Licht zu rücken. Nicht ganz zu Unrecht, denn gerade in technischer Hinsicht könnten sich einige männliche Kollegen der Zunft durchaus eine dicke Scheibe ihrer Fachkenntnis abschneiden, denn Carey gelingt es nicht nur, in simpler Eleganz den Unterschied zwischen Passiv- und Aktiv-Sensoren zu erläutern (vgl. S. 103), sondern beschreibt auch die Besonderheiten bei einer Abtrennung der Untertassensektion während eines Warpflugs so umfassend, dass sie dabei sogar die Kohlen für die fragwürdige Darstellung im Pilotfilm "Der Mächtige" aus dem Feuer holt (vgl. S. 129).
Und wo wir gerade auf dem schmalen Grat zur Metaebene wandeln:
Für einen so frühen Roman, der in der Frühzeit der Serie anzusiedeln ist, besteht der spannendste Teil eigentlich darin, ihre geschickt verpackte Kritik an den zunächst merkwürdig anmutenden Neuerungen dieser völlig vom Original abweichenden Neuinterpretation Star Treks herauszufiltern. Ihren augenzwinkernden Bemerkungen zu den unklaren Rollen des Ersten Offiziers (vgl. S. 25) und des Counselors (vgl. S. 65) sowie der Hautfarbe Datas (vgl. S. 27) treiben selbst den hartgesottenen Next-Generation-Fans die Mundwinkel in Richtung Haupthaaransatz.

Kritikwürdige Aspekte:

Riker: "Ich!?"
Picard: Sie  haben sich zum Dienst gemeldet und Sie sind qualifiziert."
Riker: "Ja, Sir!"
Picard: "Dann tun Sie Ihren Dienst, Commander."


Klingt aggressiv, komisch und fremd?
Dabei ist das keine schlechte Fanfiction! Tatsächlich stammt dieser Wortwechsel aus der noch etwas hölzernen ersten Staffel TNGs. Also aus genau der Ära, in der auch dieser Roman angesiedelt ist. Insofern muss man wohl jenen Stimmen, die diesem Roman unterstellen, dass die Figuren im Umgang miteinander etwas ruppig anmuten, mit gebotener Vorsicht begegnen.
Aber selbst wenn man dieses Zitat aus dem Pilotfilm "Der Mächtige/ Mission Farpoint" als Vergleichswert heranzieht, bleibt festzuhalten, dass das Miteinander der Crew in diesem Buch in wirklich gar keiner Relation zu den gelegentlichen Reibungspunkten früher Folgen steht. Die Figuren und ihr Sozialverhalten sind schlichtweg nicht getroffen. Das lässt sich an ein paar Personen exemplarisch festmachen.

Jean-Luc Picard. Ich kann nicht genau sagen, welche Laus dem Kommandeur der USS Enterprise in diesem Werk über die Leber gelaufen ist, doch der charismatische Franzose wirkt viel zu häufig erschreckend zickig und cholerisch (vgl. S. 23, 34, S. 51, S. 73, S. 81f., S. 83, S. 131, S. 134). Meist geschieht das in Situationen, von denen man als 'alter Hase' genau weiß, dass sich der Captain eigentlich nie so gehen lassen würde. Dadurch verliert seine Autoritätsaura völlig an Leuchtkraft. In der einzigen Situation hingegen, in der man eine härtere Gangart erwartet, enttäuscht dieses lasche Picard-Imitat auf ganzer Linie und reagiert trotz Insubordination und Materialverlust großväterlich sanftmütig (vgl. S. 268ff.). Um die Verwirrung perfekt zu machen, legt er eine erschreckende Mordlust wie Käpitän Ahab auf der Jagd nach dem Weißen Wal an den Tag, die er sich eigentlich für den finalen Kampf gegen die Borg aufheben müsste.
Da kann man als erschrockener Leser seinem Ersten Offizier William T. Riker nur kopfnickend beipflichten, wenn er seinem Vorgesetzen in diesem Zusammenhang vorwirft: "Das klingt nicht nach Ihnen, Sir." (S. 251)

William T. Riker. Was aber nicht bedeuten soll, dass Riker auch nur ansatzweise besser getroffen wäre. Er steht seinem Kommandanten in puncto Stimmungsschwankungen in nichts nach (vgl. z.B. S. 116), verliert sich in sinnfreien Eifersuchtsszenen (vgl. S. 24f) und präsentiert sich erschreckend wehleidig (vgl. S. 25).

Data. Vielleicht sollte man eher 'Lore' sagen, denn der Androide Data entfaltet eine verdächtig breite  Emotionspalette: Von traurig (vgl. S. 116), empfindlich (vgl. S. 228), lächelnd (vgl. S. 243), freudig (vgl. S. 125) bis hin zu grinsend (S. 184) hat man die künstliche Lebensform jedenfalls vor der Aktivierung seines Emotionschips nur selten so sentimental erlebt. Hinzu kommt, dass er scheinbar sogar Schmerz empfinden kann (vgl. S. 31), für einen Androiden eine erstaunliche Tolpatschigkeit an den Tag legt (vgl. S. 201f.) und sogar ein Herz zu besitzen scheint (vgl. S. 201).
So ziemlich alles, was man über das Spitzenprodukt aus dem Hause Soong erfährt, steht im direkten Widerspruch zu den späteren Informationen der Serie. Vor allem der Status als biologische Lebensform, den Carey ihm als Höhepunkt ihres Buches verlieh, hat gar nichts mit dem beliebten Charakter zu tun, der in seinem verzweifelten Streben nach Menschlichkeit erst zum Zuschauerliebling avancierte.

Geordi LaForge. Der blinde Steuermann offenbart sich als extrem angriffslustig und streckenweise sogar persönlich angreifend gegenüber seinem unmittelbaren Vorgesetzten, dem ersten Offizier Riker (vgl. z.B. S. 117f., S. 216 oder S. 227ff.). Das wirkt sogar noch schlimmer und unangenehmer als in der TOS-Folge "Notlandung der Galileo Sieben" – was man tatsächlich als eine ernstzunehmende Leistung interpretieren könnte.
Hinzu kommt eine für LaForge unangemessene Ausdrucksweise, die in dem Satz "Maschine, meine Fresse." (S. 36) gipfelt.  Im englischen Original liest sich das nicht viel besser. Hier muss man sogar von "Machines, my ass." lesen. Den schüchternen und auf Ausgleich bedachten Navigator begleitet kein nennenswerter Wiedererkennungswert.

Man könnte noch weitere Beispiele aufführen, doch der Übersichtlichkeit halber sei nur erwähnt, dass Doktor Beverly Crusher zu controllfreakig (S. 62f.), Worf zu unterwürfig (S. 34f.) oder Wesley zu unselbständig (S. 76ff.) agieren. Die Psychologin Deanna Troi droht sogar mit einem Suizid, sofern die restlichen Führungsoffiziere nicht ihrer Interpretation der Ereignisse folgen (vgl. S. 208). Den fragwürdigen Höhepunkt dieser Figurenvergewaltigung bildet die Gleichsetzung Tasha Yars mit einer Disney-Prinzessin (vgl. S. 152).
Gerade durch den wahren Zickenkrieg, den sich die Besatzung in diesem Werk viel zu häufig leistet, vermag die gut gemeinte Aufopferungsbereitschaft der eher gegeneinander arbeitenden Crew im Licht solcher Umstände nicht so recht seine Wirkung zu entfalten (vgl. S. 128f.)
An dieser Stelle muss ich wohl auch mal mit einer erschreckend weit verbreiteten Legende aufräumen: An vielen Orten (wie zum Beispiel Jeff Ayers' 'Voyagers of Imagination: The Star Trek Fiction Companion') kann man lesen, dass Carey selbst zu Protokoll gab, dass sie dieses Werk geschrieben hätte, noch bevor die Schauspieler gecastet waren und die Serie überhaupt im Fernsehen anlief. Insofern müsste man viel Nachsicht walten lassen.
Wenn das stimmen würde.
Anhand von Textbelegen lässt sich jedoch beweisen, dass genau das Gegenteil der Fall ist. So deuten Erwähnungen von Personen wie Argyle (vgl. S. 129) UND MacDougal (vgl. S. 135), aber auch die aufgegriffene Ernennung Wesley Crushers zum Fähnrich ehrenhalber (vgl. S. 76f.) sowie Tasha Yars Herkunft (vgl. S. 153) darauf hin, dass ihre Kenntnisse zumindest bis zur sechsten Folge der ersten Staffel ("Der Reisende") reichten. Hinweise auf Deannas Mutter (vgl. S. 64) legen sogar den Verdacht nahe, dass sie es eventuell sogar bis zur elften Folge ("Die Frau seiner Träume") geschafft hat.
Auch die verschiedenen Schauspieler kannte sie bestens und spielt sogar mit diesem Wissen: Die Erwähnungen Sirtis' mediterraner (vgl. S. 110), bzw. griechischer (vgl. S. 65) Herkunft, Crosbys burschikosem Äußeren (vgl. S. 33) oder Stewarts bühnenhaften Tenors (S. 23) wären jedenfalls in der Form gar nicht möglich gewesen, wenn Carey die einzelnen Darsteller nicht in Aktion gesehen hätte.
Natürlich wäre es denkbar, dass die Autorin diese vergleichsweise häppchenartigen Informationen in ihr Werk einfügte, nachdem sie den Hauptteil der Handlung verfasste. Der geringe Umfang und der minimale Einfluss auf das Wesen der einzelnen Figuren sprächen jedenfalls für eine solche nachträgliche Einarbeitung. Doch diese minimalen Schönheitskorrekturen blieben dabei ein Tropfen auf den heißen Stein. Es bleibt festzuhalten, dass dieses Werk viel zu schnell auf den Markt geworfen wurde und dadurch keine große Schnittmenge mehr mit dem Endprodukt der Fernsehserie aufwies. Eine längere Bearbeitungszeit hätte Diane Carey zur Auseinandersetzung mit den einzelnen Charakteren sicherlich gut getan.
Das merkt man spätestens dann, wenn interne Schiffsabläufe thematisiert werden. Schenkt man den Ausführungen Careys Glauben, so muss man kritisieren, dass die Kommandokette auf dem Flaggschiff der Sternenflotte überhaupt nicht funktioniert. Das wird jedenfalls im zweiten Teil des Werkes überaus deutlich.
Picard lässt sich inmitten einer Notsituation zu Selbstversuchszwecken in ein Wachkoma versetzen (vgl. S. 210), während sich sein zweiter Offizier mit einem Shuttle zu Selbstopferungszwecken unerlaubt vom Schiff entfernt (vgl. S. 197ff.) und der Erste Offizier dem Androiden mitten in diesem Kommandovakuum auch noch auf diesen Kamikazetripp folgt (vgl. S. 229). Das Schiff treibt währenddessen schutzlos, energielos und führerlos durch das All, während ein fremdes Wesen nach dem Leben der Crew trachtet und in der kalten Dunkelheit des Weltraums lauert.
Dabei bleiben die Führungsspitze nicht das einzige Beispiel für Mängel in der Schiffshierarchie. Der junge Wesley Crusher zapft unbemerkt über einen Monat hinweg die Antimateriereserven des Schiffes in einem Sperrgebiet an (S. 173ff.) und Data zweckentfremdet während seiner Dienstzeit die Ops-Konsole für private Recherchen mit Sprachausgabe (vgl. S. 32). Die Crew wirkt wie ein anarchischer Haufen egozentrischer Individuen, der sich nicht sonderlich um die Einhaltung von Rangstufen oder Hackordnungen kümmert. Was heutzutage vielleicht irgendwie begrüßenswert und sympathisch klingt, passt aber nicht zur zukunftsorientierten Star-Trek-Ideologie, in der die unbedingte Einhaltung der Kommandostruktur eines Schiffes oder einer Station ein zentrales Merkmal für die Glaubwürdigkeit bedeutet. Stellt man diese wie hier in Frage, vermag sich ein Wiedererkennungsgefühl in irgendeiner Form auch partout nicht einzustellen.
Mehr noch: Es entreißt der philosophisch sicherlich relevanten Frage nach Sterbehilfe, die den Roman eigentlich bestimmen sollte, völlig den Boden und beraubt der gesamten Handlung die Nachvollziehbarkeit.
Passend dazu kulminiert das Buch schließlich in einem widerlich kitschigen Finale, in dem auch noch allen Ernstes und allen Gepflogenheiten der Franchise zum Trotz salutiert wird (vgl. S. 270f.).
Prädikat: Besonders Gruselig!

Übersetzung: Das Unheil kündigt sich bereits mit dem Titel des Buches an:
"Gespensterschiff" liest man da in Großbuchstaben auf dem Cover, obwohl es mit "Geisterschiff" einen ungleich geläufigeren Terminus innerhalb der deutschen Sprache gibt. Zumal innerhalb des Werkes nicht ein einziges Mal von 'Gespenstern', sondern durchweg von 'Geistern' geredet wird (vgl. z.B. S. 77, S. 109 oder S. 194).
Doch der Titel ist erst der Anfang einer wahren Übersetzungszumutung. Norbert Stresau, dem die Übertragung dieses Frühwerkes in die deutsche Sprache oblag, merkt man seine süddeutsche Herkunft umgehend an. Fürchterlich falsch klingende Satzteile wie "Er wollte sich nach der taktischen Konsole umwenden, […]" (S. 24) ", "[...] an der Reserve gehangen ist [...]" (S. 179) oder "[…] machten ihn frösteln […]" (S. 212) verraten seine Herkunft und mindern das Lesevergnügen bei Rezipienten, die sprachlich jenseits des Weißwurstäquators sozialisiert wurden.
Aber auch der verschnörkelte Stil des Textes nervt beim Lesen gewaltig. Beschreibungen wie "Geordi fühlte den Stachel seiner eigenen Hilflosigkeit." (S. 181), "Bittere Wut umwölkte Trois hübsche Augen." (S. 171) oder "Der Androide sah zu ihm auf, eine Bewegung, die Riker durchfuhr wie ein hölzerner Pflock." (S. 167) sind bei gelegentlichem Aufkommen sicherlich eine willkommene Abwechslung, doch ein ganzes Buch voll mit blumigen Umschreibungen wie diesen versetzt den potentiellen Käufer rasch an die Grenzen seiner Leidensfähigkeit. Natürlich ist so eine Stilfrage in erster Linie an den Autoren gekoppelt, doch an diesem Beispiel kann man gut erkennen, was passiert, wenn die Wirkung eines bereits anstrengenden englischen Originaltextes durch die weitaus breitere Ausdruckspalette der deutschen Sprache noch potenziert wird. Im Kontrast mit den äußerst grobschlächtigen Charakteren ergibt das ein zähes Wechselspiel, das ob seiner krassen Brüche den Lesefluss erheblich beeinträchtigt.
Obwohl das allein schon ausreichen würde, patzte Stresau ständig bei den einfachsten Übersetzungen. Stocksteife Übertragungen fern von jeder Sprachrealität prägen das Buch Seite für Seite. Aufgrund der Übersichtlichkeit zähle ich lediglich drei Beispiele von vielen auf, die beim Lesen übel aufstoßen.
So antwortet Picard auf die Türklingel "Ja, wer ist es es?" (S. 171, für "Yes, who is it?"), beendet seinen Satz mit "Fair genug." (S. 185, für die Redewendung "Fair enough.") oder beschreibt den Anblick "[...] mit nacktem Auge […]" (für "with naked eye" statt 'mit bloßem Auge' S. 74). Prinzipiell mag dies für das Englisch-Verständnis eines Grundschülers vielleicht richtig erscheinen, praktisch handelt es sich dabei jedoch nicht unbedingt für ein professionelles Statement eines Übersetzers, der mit seiner Arbeit Geld verdient. Um dieses Armutszeugnis zu komplettieren, muss man sich nur den wahren Zoo vor Augen halten, den die Besatzung bietet: Da wird gefaucht (vgl. S. 238), gebrüllt (vgl. S. 51), geschnaubt (vgl. S. 76), gekrächzt (vgl. S. 131) und gegrunzt (vgl. S. 171) wie sonst nur bei Daktari. Besonderer Beliebtheit erfreut sich dabei das Bellen, das der Crew besonders häufig in den Mund gelegt wird (vgl. S. 30, S. 70, S. 74, S. 116, S. 121, S. 131, S. 228, S. 244, S. 257, S. 262).

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Da wirkt es beinahe erfrischend, Konstanten der Heyne-Übersetzungsmaschinerie wiederzuentdecken. Doch zusammen mit altbekannten Fehlbezeichnungen wie "Galaxis-Klasse" (S. 24, statt "Galaxy-Klasse"), "Insignienkommunikator" (S. 49, statt "Kommunikator"), oder "Medo-Ingenieur" (S. 82, statt "medizinischer Techniker") tauchen auch noch weitere Begriffe auf, die so selbst in anderen Heyne-Romanen nicht zu lesen sind. So geben merkwürdig anmutende Formulierungen wie die "[...] des medizinischen Föderationskonzils […]" (S. 194), "Warp-Hülle" (statt "Warp-Blase" S. 128) oder "Lebensmittelspender" (statt "Replikator", S. 36) allenthalben ihr Stelldichein.
Komplettiert wird dieses Feld durch die gleichzeitig ebenso typischen, wie unangebrachten Anglizismen á la "Starbase" (S. 40), "Starfleet" (S. 76) oder "Lightshow" (vgl. S. 215), die durch denglische Zwitterübersetzungen wie "Exhaustoren" (S. 143), "Junktor" (S. 155) oder "Antimaterie-Reservecenter" (S. 199) eine fragwürdige Gesellschaft erhalten.
Das Sahnehäubchen bilden allerdings die kleinen Fehlerteufel, denen man innerhalb des Buches des Öfteren begegnet. Abgesehen von fehlenden Anführungsstrichen (S. 158), kommt es auch schonmal vor, dass aus "neunundsiebzig" Prozent (S. 98) nur eine Seite später plötzlich "siebenundneunzig" Prozent (vgl. S. 99) werden. Zudem werden das Siezen und Duzen nicht konsequent beibehalten (vgl. S. 145).
Alles in allem verdient dieses Buch einen Spitzenplatz unter den am schlechtesten übersetzten Star-Trek-Büchern – selbst für Heyne-Verhältnisse. Ich persönlich kann mir das auch nur dadurch erklären, dass der Verlag seinen Übersetzern einem ähnlichen Zeitdruck aussetzte, wie Carey ihn eventuell in den USA erleben musste. Der Werbetext auf der Buchrückseite, der die ab September 1990 jede Woche im ZDF laufende neue Serie "Die nächste Generation" (!) anpreist, lässt diesen Schluss jedenfalls auch für dieses 1990 in Deutschland erschienene Werk zu.

Anachronismen: Eigenlob stinkt.
Diese simple nationale Binsenweisheit hat es scheinbar noch nicht über den Großen Teich geschafft, denn unmittelbar vor dem eigentlichen Beginn der Geschichte beschreibt die Autorin, dass sie aufgrund ihrer guten Quellen jene bei ihrem Publikum ach so beliebte Detailgenauigkeit bei philosophischen, wissenschaftlichen und militärischen Fragen an den Tag legt.
Den Gegenbeweis tritt die Autorin allerdings bereits auf den ersten Seiten an. Dort wird nämlich ein sowjetischer Flugzeugträger namens 'Gorschkow' beschrieben, der 1995 unter mysteriösen Umständen verschwand.
Mittlerweile liegt das Jahr 1995 in unserer unmittelbaren Vergangenheit, und was soll ich sagen?!
Es gab tatsächlich einen Flugzeugträger dieses Namens, der sogar in diesem Zeitraum von einer Explosion heimgesucht wurde!
Allerdings handelte es sich weniger um einen "Flugzeugträger" (S. 67), sondern um einen sogenannten "Flugdeckkreuzer" (durch diese semantische Spitzfindigkeit konnte die Sowjetunion das vertraglich fixierte Durchfahrtsverbot von 'Flugzeugträgern' durch die Dardanellen umgehen). Er gehörte zur "Kiew-Klasse", und nicht zur "Lenin-Klasse" (vgl.S. 8). Es hatte maximal 1665 Mann Besatzung und nicht fünftausend (vgl. S. 224). Es war weder atombetrieben (vgl. S. 8), noch mit MiGs bestückt (vgl. S. 9).
Eigentlich hieß das Schiff zur Entstehungszeit des Romans sogar "Baku" und wurde erst nach dem sowjetischen Marine-Oberhaupt benannt, als Aserbaidschan zusammen mit seiner Hauptstadt in die Unabhängigkeit entlassen werden musste.
Zwar wollte es der Zufall, dass das Schiff 1995 tatsächlich durch eine Explosion außer Dienst gestellt wurde, doch es existiert bis heute und gehört als "INS Vikramaditya" mittlerweile zur indischen Marine.
Aber das konnte Carey 1987 unmöglich ahnen.
Genausowenig konnte sie ahnen, dass die Sowjetunion 1992 aufhören würde zu existieren. Damit wurden dieser Roman und sein gesamter Inhalt urplötzlich hinfällig.
Doch dieser Fehler ist bei Lichte betrachtet ein gängiger Begleiter innerhalb des Star-Trek-Universums. Abgesehen von Chekovs ständigen Einwürfen in der Originalserie, kam es ebenfalls im vierten Kinofilm zu einer Erwähnung Leningrads, obwohl die Stadt seit 1991 in Sankt Petersburg zurückbenannt wurde. Scheinbar muss die Sowjetunion im Star-Trek-Universum irgendwann wie Phönix aus der Asche wiederauferstanden sein.
Also folgen wir doch einmal diesem Anachronismus bereitwillig und nehmen der Bequemlichkeit halber an, dass das mit der Sowjetunion irgendwie so in Ordnung geht (als Veteranen der Eugenischen Kriege dürfen wir uns so etwas erlauben).
Warum zum Teufel fliegen dann die Piloten der gestarteten sowjetischen Kampfjets vom Schwarzen Meer (vgl. S. 8) bis ins Mittelmeer (vgl. S. 18), um auf einem dafür nicht ausgerüsteten amerikanischen Flugzeugträger notzulanden?
Die Piloten (die nicht überlaufen wollten, vgl. S. 71) hätten in der gleichen Zeit problemlos Militärflughäfen auf der Krim, dem ukrainischen bzw. russischen Festland, in Georgien oder den sozialistischen Bruderstaaten Rumänien und Bulgarien (beide waren Mitglied im Militärbündnis des Warschauer Paktes) ansteuern können. Immerhin misst das Schwarze Meer an seiner breitesten Stelle gerade einmal 1.175km, was bedeutet, dass selbst eine MiG-31 (im Buch wird die nie in Produktion gegangene MiG-33 beschrieben, vgl. S. 19) mit einem Einsatzradius von 1.450km bei Unterschallgeschwindigkeit ohne Schwierigkeiten einen der eigenen Flughäfen hätte ansteuern können. Gerade mit ihrem angeblichen Militärfachwissen sollte Carey gewusst haben, dass es den Piloten unmöglich gewesen sein muss, den Luftraum des NATO-Mitglieds Türkei zu durchqueren.
Ebenso wenig konnte Carey damals ahnen, in welche Richtung sich Star Trek im Allgemeinen, und TNG im Speziellen entwickeln würden. So ziehen die angesprochenen Charaktere einen wahren Rattenschwanz an Anachronismen hinter sich her.
So erfährt man, dass Picard ein Marquis ist (vgl. S. 88) und auf Riker ob desses Verweigerungshaltung in puncto Außenteameinsätze neidisch sein soll (vgl. S. 105). Dabei kann man in "Das Pegasus-Projekt"erfahren, dass der Captain der Enterprise Riker genau aus diesem Grund überhaupt als Stellvertreter ausgewählt hatte.
Auch Geordi LaForge und dessen Visor verführten Carey zu unvorsichtigen Äußerungen. So kann man in diesem Buch lesen, dass dem Navigator das Tragen seiner Sehhilfe unablässige Schmerzen beschert (vgl. S. 87), dass er zu einem erlauchten Personenkreis von lediglich vier Sehbehinderten gehört, die überhaupt mit einem solchen Gerät umgehen können (S. 86) oder dass er das Gerät mehrmals am Tag abnehmen muss, um Erschöpfungszuständen zu entgehen (S. 87). Das steht natürlich in akutem Widerspruch zu später ausgestrahlten Episoden, in denen der Umgang mit Geordis Behinderung viel weiter in den Hintergrund gerückt wurde und seine Prothese zu einem Alltagsgegenstand wie etwa eine Brille verklärt wird.
Einer ähnlichen Entwicklung sah sich auch Worf ausgesetzt. Als Ursache für die Tatsache, dass er im Gegensatz zu seinen Ahnen der Originalserie Stirnwülste trägt, gibt Carey eine klingonischen Säuberungsaktion an (vgl. 34). Dank "Immer die Last mit dem Tribbles" oder dem Enterprise-Zweiteiler "Die Heimsuchung/ Die Abweichung" weiß der Star-Trek-Fan das heute natürlich besser. Aber schon nach der ersten Staffel TNG mit all ihren Fehlern, hätte man sich denken können, dass Rikers Notlüge, ausgerechnet der grummelige Klingone hätte eine wissenschaftliche Lösung für das Problem gefunden, nun wirklich keinen abtrünnigen Androiden aus seinem Versteck locken würde (vgl. S. 242).
Verwunderlich stimmt auch, dass Deanna Troi nicht mit der Silhouette eines Flugzeugträgers vertraut sein soll vgl. S. 57). Immerhin zierte ein vergoldetes Modell eines solchen Schiffes bereits seit Beginn der Serie den Besprechungsraum, in dem auch der Counselor mehrfach zu sehen war.
Wie aber bereits angemerkt, ist die Person, mit der das gesamte Buch fällt, der Androide Data. Er ist das völlige Gegenteil zu dem, was ihn in der Fernsehserie ausmacht. Seine Darstellung ähnelt eher kybernetischen Lebensformen wie den Borg (vgl. z.B. S. 198f). Bedenkt man allerdings, wie wenig den assimiliationsfreudigen Halbmaschinen im achten Kinofilm "Der erste Kontakt" das Plasmakühlmittel vertrugen und wie glimpflich Data im Vergleich zu ihnen davonkam, wird rasch klar, wie unnötig weit sich Carey mit ihrem Behauptungen aus dem Fenster lehnte.
Außerdem verwundert es natürlich schon, dass Geordi angeblich mit seinem Visor künstliche Lebensformen wie Soong-Androiden erkennen kann (vgl. S. 35f.). Immerhin gelang es ihm nicht, in "Soongs Vermächtnis" Datas Mutter Juliana Tainer als positronische Kopie zu enttarnen.
Ferner bleibt auch die Aussage, Datas Status als Lebensform und damit auch seine Befähigung, auf die Sternenflotte zu gehen, sei von Maschinen getroffen worden (vgl. S. 167), wird spätestens in "Wem gehört Data?" widerlegt, in der man erfahren kann, dass eine Kommission unter Beteiligung Bruce Maddox über die Einordnung Datas in die Gesellschaft entschieden hat.
Besonders schade fand ich persönlich, dass Carey mit dem Selbstgespräch Datas (vgl. S. 201) einen heimlichen Höhepunkt der Folge "Die Verschwörung" vorwegnahm.



Data blieb jedoch nicht der einzige technologische Aspekt, dessen Wesen sich der Autorin verschloss. So funktioniert Holo-Technologie schlichtweg nicht auf die beschriebene Weise (vgl. S. 49f.) und würden Kommunikatoren tatsächlich auf diese Weise auf ihren Träger kodiert sein (vgl. S. 201), so wären verschiedene Entwicklungen in Folgen wie "Terror auf Rutia IV", "Erwachsene Kinder" oder "Renaissance Mensch" überhaupt nicht möglich gewesen.
Während man darüber sicherlich hinwegsehen könnte, ist die Verwendung von "Warp zehn", "Warp zwölf" oder "Warp vierzehn Komma neun" (vgl. S. 94) im Hinblick auf die Einführung einer neuen Warpskala im Zuge der neuen TV-Serie schon harter Tobak.
Natürlich sind das alles Anachronismen, die sich erst später im Widerspruch zu diesem Buch entwickelten. Carey, der die undankbare Aufgabe zukam, das erste eigenständige TNG-Buch zu schreiben, war sicherlich einem immensen Zeitdruck ausgesetzt.
Ja mehr noch!
Vergleicht man ihre Interpretation mit den Informationen aus der zweiten TNG-Episode "Gedankengift", so muss man ihr sogar zugestehen, dass ihre Beschreibungen – mit Abstrichen - durchaus den dort gegebenen Informationen entsprechen. Schon allein, wenn man sich die Tatsache vor Augen hält, dass Data dort einer ansteckenden Krankheit zum Opfer fällt, machen die hiesigen Angaben zu Datas organischen Komponenten sogar Sinn. Allerdings erfreut sich diese Folge gerade wegen ihrer unpräzisen Einschätzungen im Hinblick auf spätere Entwicklungen nicht ganz zu Unrecht nur wenig Beliebtheit unter den Fans der Serie.
Das Gleiche ließe sich auch über das Buch sagen.
Einen letzten Anachronismus muss ich an dieser Stelle, die eigentlich das perfekte Ende für diesen Abschnitt bilden würde, aber noch kritisieren. Das schlecht getroffene Schiff auf dem Cover (das in keinem Zusammenhang mit dem Inhalt des Buches steht) ist tatsächlich frech aus "Kampfstern Galactica" geklaut, obwohl im Text explizit erwähnt wird, dass Data eben kein 'Toaster' sei (vgl. S. 32).

Fazit: "Gespensterschiff" bietet ein gutes Beispiel dafür, warum Bücher nicht zum offiziellen Kanon gezählt werden. Autorin Diane Carey versuchte zwar wirklich redlich, Lücken zu füllen und Widersprüche aufzuklären, doch der Lauf der Zeit hat dieses Werk längst links liegen gelassen. Zu groß muten die Lücken zur eigentlichen Serie mittlerweile an, als dass dem Buch noch größere Aufmerksamkeit zuteil werden sollte. Doch wäre dies das einzige Problem, so wäre es immerhin noch ein nettes Zeitdokument, doch weitere eklatante Schwächen prägen dieses Werk.
Carey gelingt es nicht, die Figuren auch nur annähernd zu treffen; geschweige denn die Parameter der noch jungen Serie in ihrem Wesen zu erfassen. Ihr Schreibstil steht in einem viel zu großen Widerspruch zu den grob gezeichneten Charakteren. Hinzu kommt eine der schlechtesten Übersetzungsleistungen, die der Heyne-Verlag seinen Lesern je zumutete.
Wer also wirklich wissen will, wie schlimm sich die Qualen der sowjetischen Schiffsbesatzung in nie enden wollender Pein anfühlen müssen, braucht nur dieses Buch bis zum bitteren Ende zu lesen, um einen guten Eindruck davon zu erhalten. 

Denkwürdige Zitate:

"Erlaubnis erteilt, sich nicht in einem fort entschuldigen zu müssen, Counselor."
Jean-Luc Picard, S. 56

"Ziemlich fähige Puppe. Biene? Hase? Maus? Frauenzimmer? Weibsbild?"
Data, S. 60f.

"Captain, was soll ich eigentlich auf diesem Schiff, wenn Sie nicht auf meine Ratschläge hören?"
Deanna Troi, S. 93

"Null Problemo."
Data, S. 114

"Picard... verdammt soll er sein."
William T. Riker, S. 115

"Werfen wir die Perlen aus und sehen zu, ob die Sau uns folgt."
Jean-Luc Picard, S. 136

"Das ist ein Raumschiff, kein Spielplatz, Wes."
Geordi LaForge, S. 176

"Wenn ich mich mit solch bleichen ethischen Problemen hätte herumschlagen wollen, wäre ich Priester geworden."
Jean-Luc Picard, S. 187

"Sie behandeln mich noch immer wie ein Kind, obwohl ich auf der Brücke bin."
"Sie sind deshalb auf der Brücke, weil ich es so entschieden habe, und nicht, weil Sie es verdient haben. Ihr Talent sprengt den Rahmen Ihrer Weisheit, junger Mann. Früher oder später werden Sie die unangenehme Tatsache akzeptieren müssen, daß die Erfahrung der Leute um Sie herum mehr wert ist, als Ihre Begabung, und daß Sie, wie jedermann sonst auch, abwarten müssen, bis die Reihe an Sie kommt. Und nun denken Sie an Ihren Rang, halten Sie den Mund und und folgen Sie mir in den Maschinenraum, wo Sie Ihre Gaben einsetzen und den anderen erlauben werden, dasselbe zu tun."
Wesley Crusher und Jean-Luc Picard, S. 255

Bewertung: Eine Grenzerfahrung.

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