Starfleet Kadetten 16: Picards erstes Kommando

Buchbesprechung Strickland Barbara; Strickland, Brad: Picards erstes Kommando. München, Heyne Verlag, 1997.

Story: Um es vorwegzunehmen: „Picards erstes Kommando“ ist ein Prequel - wie fast alle Bücher der "Starfleet Kadetten"-Reihe. Die hier beschriebene Handlung beginnt weit vor den Abenteuern auf der USS Enterprise und der gute alte Spock ist auch dabei. Alle, die sich jetzt an den kommenden Star Trek XI Kinofilm erinnert fühlen, kann ich allerdings beruhigen. Die Story erzählt schlichtweg nur von den ersten Tagen des Sternenflottenkadetten Jean-Luc Picard. Sie erzählt von Freunden, Mitstreitern und Konkurrenten und bietet einen tiefen Einblick in den Ablauf eines Studiums an der Sternenflottenakademie. Höhepunkt ist Picards Eintritt in die Nova-Staffel und das erste große Abenteuer, in das die spätere Sternenflottenlegende noch im vollen Besitz seines Haupthaars gerät.

Lobenswerte Aspekte: Das Buch liest sich gut und sehr flüssig und lebt von den glaubhaften bzw. nachvollziehbaren Schilderungen des uns unbekannten Akademiealltags. Hinlänglich aus TNG bekannte Charaktere wie Boothby, Marta Batanides oder Spock fügen sich – innerhalb des Rahmens der Star-Trek-Historie – in die Erzählung ein, ohne störend oder aufgesetzt zu wirken. Auch die Tatsache, dass die Autoren das Geschehen chronologisch einordnen, in dem sie einige der bedeutenderen Ereignisse aus der Star-Trek-Chronologie dem Werk voranstellten, erleichtert die „historische“ Einordnung.
Zudem erlebt der Leser bereits bekannte Züge des zuküntigen Captains in ihrem Frühstadium: Seine Vorliebe für das Fechten, seine Probleme mit seinem Vater und schließlich auch seinen Ehrgeiz.
Es gibt keine eklatanten Brüche oder Paradoxien, die mit Informationen aus anderen Serien oder Filmen, die nach der Veröffentlichung dieses 1995 in den USA erschienenen Buches entstanden. Es fügt sich problemlos in den Kanon ein und vermeidet weitreichende Entscheidungen mit Konsequenzen, die andere Bücher oder auch Filme oder Folgen beeinflussen könnten.
Durch qualitativ recht hochwertige Zeichnungen wird der Text immer wieder aufgelockert. Die Charaktere sind detailreich dargestellt und nachvollziehbar gestaltet; so wirkt etwa der juvenile Picard wie ein älteres Exemplar seiner Darstellung durch David Tristan Birkin aus der TNG-Episode „Erwachsene Kinder“.


Wer verbirgt sich hinter der Maske? Wieder einmal findet Picard seinen Meister in dieser Sportart - oder sollte ich sagen "bereits zu dieser Zeit"?

Kritikwürdige Aspekte: Das Buch ist für die damaligen 9.90 DM ausgesprochen kurz geraten. Abzüglich der Bilder und des Chronologie-Abschnitts verbleiben dem Leser 117 Seiten, die kleiner als Din A5 sind. Also auf beidseitig bedrucktem A4-Format würde man für den gleichen Inhalt lediglich 25 Blätter benötigen.
Störend ist auch, dass der Übersetzer Uwe Anton sich nicht die Mühe machte, das Wort „Starfleet“ zu übersetzen, obwohl mit „Sternenflotte“ ein geläufiges deutsches Pendant existiert. Ähnlich verhält es sich mit dem "Nova-Schwadron", das eigentlich "Nova-Staffel" heißen müsste. Beides könnte ein Indiz für den leider bei Star-Trek-Romanen viel zu häufigen Fall sein, dass der Übersetzer selbst sich nie mit Star Trek beschäftigt hat.
Es sollte außerdem erwähnt werden, dass der deutsche Titel des Buches äußerst unglücklich gewählt ist, und nicht nur nichts mit dem englischen Original „Nova Command“ zu tun hat, sondern auch überhaupt gar nichts mit dem Inhalt des Buches.
Was mir persönlich schließlich fehlt, ist der junge, behaarte oder auch unbehaarte Picard in seiner Sturm-und-Drang-Phase. Jener junge, draufgängerische Mann, der "etwas eingebildet", "ein verdammter Narr", "egoistisch, von Ehrgeiz zerfressen" war und" unbedingt noch reifer werden" musste (O-Ton Star Trek Nemesis). Der schließlich im Buch beschriebene Jean-Luc Picard wirkt einfach zu sehr wie eine frühe Version seines späteren Charakters und nicht wie ein übereifriger junger Mann, der sich vom erstbesten Nausicaaner, den er trifft, ein Messer ins Herz rammen lässt.

Anachronismen: Obwohl die Bilder durchaus gelungen sind, gibt es ein kleines Detail, das auf fast jedem einzelnen Bild einen eklatanten Fehler verursacht: Die Kadetten tragen alle Uniformen aus den Sechzigern des 24. Jahrhunderts, obwohl die fertigen Kadetten Marta Batanides und Jean-Luc Picard in der Episode „Willkommen im Leben nach dem Tode“ noch Original-Uniformen aus den Kinofilmen II bis VI tragen. Erst in Star Trek X zeigt Picard Beverly Crusher ein Foto, auf dem er in seiner damaligen Kadettenuniform zu sehen ist. Es weicht von den Darstellungen in den verschiedenenen Kinofilmen und vor allem denen im Buch präsentierten natürlich stark ab.

Fazit: „Picards erstes Kommando“ ist eine lesenswerte und nette kleine Kurzgeschichte, die niemandem wehtut. Sie bietet tieferes Ergänzungswissen zu einem Thema, dass in den verschiedenen Star-Trek-Serien und –Filmen in dieser Form bis jetzt noch nicht näher beleuchtet wurde. Vielleicht wird der kommende Star-Trek-Kinofilm diese Lücke für den Personenkreis schließen, der visuellen Beweisen mehr Beachtung schenkt.
Und wo wir schon mal bei Star Trek XI sind: Hoffentlich zerstört kein Hollywoodschreiber in den nächsten dreißig Jahren diese glaubhafte Darstellung durch den Versuch, das Modell „Back-to-the-Roots“ auch auf die TNG-Crew anzuwenden. Das sorgfältig recherchierte Werk hätte diesen Tritt in den Hintern sicher nicht verdient…

Denkwürdiges Zitat:

"Ich würde sagen, mein bester Rat ist dieser: Sehen Sie jede Krise als Gelegenheit an. Glauben Sie niemals, Sie hätten alles gelernt was Sie wissen müssen. Und wann immer möglich, verwandeln Sie einen Widersacher in einen Verbündeten. Wenn Ihnen das gelingt, werden sie ein erfolgreicher Starfleet-Offizier sein." Adm. Spock, S. 16f.

Bewertung: Weniger ist oft mehr.



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