Sonntag, 31. Mai 2009

Vanguard 03: Ernte den Sturm

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Buchbesprechung Mack, David: Vanguard 03: Ernte den Sturm, cross cult, 2008.

Story: Ruhig und kaum beachtet liegt das Jinoteur-System irgendwo in der Taurus-Region. Doch als Forscher der Föderation entdeckten, dass sämtliche Monde der Planeten künstlich ausgerichtet wurden, rückt es in den Mittelpunkt des allgemeinen Interesses.
Klingonische Flotten scheitern an den planetaren Verteidigungssystemen und als auch ein tholianisches Schiff dort auftaucht, schickt auch endlich die Sternenflotte ein eigenes Schiff, um zu erkunden, welches Geheimnis sich hier verbirgt.
Währenddessen hat der Kommandant der Sternenbasis 47, Commodore Diego Reyes, weltlichere Sorgen. Seine Ex-Frau Jeanne ist zu Besuch auf der Station. Doch das vermeintlich private Dilemma wird rasch zu einem beruflichen, denn diese Frau, der er tief in seinem Herzen noch immer Gefühle entgegen bringt, ist niemand geringeres als der gewählte Leiter einer frisch gegründeten Kolonie in der Taurus-Region. Dumm nur, dass auf genau dieser Welt ein Artefakt vermutet wird, wie es schon zuvor auf Ravanar, Palgrenax und Erilon gefunden wurde. Noch dümmer, dass die ahnungslose Verflossene auf einer völligen Autonomie ihrer neuen Heimat besteht, denn es ist sofort jedem Beteiligten klar, dass der dann völlig sich selbst überlassene Planet bei den benachbarten Klingonen Begehrlichkeiten wecken würde.
Derweil stößt die USS Sagittarius im Jinoteur-System auf ein leeres Tholianerschiff und stürzt nur wenig später nach einem plötzlichen Beschuss auf dem Hauptplaneten ab. Die Crew hat ihre Antimaterievorräte verloren und die Außenteams werden plötzlich von einem übermächtigen Feind angegriffen, und das einzige Schiff, dass vom vulkanischen Geheimdienstoffizier T’Prynn als zuverlässig genug und nächstliegend eingestuft wird, ist die Rocinante des Weltraumvagabunden Cervantes Quinn. Er und sein Freund, der Reporter Tim Pennington, sind die einzige Hoffnung für die Crew des kleinen Schiffes der Archer-Klasse…
Hinter dem Angriff auf die Mannschaft Captain Nassirs stehen die Shedai, die nach Jahrtausende währenden Schlaf erwacht sind, um an den sterblichen humanoiden Störenfrieden grausame Rache zu nehmen. Ihr erster großer Schlag richtet sich schließlich genau auf jene Welt, die Reyes Exfrau gerade erreicht hat: Gamma Tauri IV.

Lobenswerte Aspekte: Im dritten Band der Vanguard-Reihe erhalten viele Charaktere mehr Tiefe: Angefangen beim orionischen Kaufmannsprinzen Ganz, hin zum Kommandanten Diego Reyes bis zur Gemeinschaft Penningtons und Quinns. Besonders letzteres Pärchen beeindruckte mich auf den letzten Seiten des Buches und ich gebe zu, überrascht worden zu sein. Quinn ist, allen stereotypisierenden Gefahren zum Trotz, äußerst differenziert dargestellt und besonders mit der Zigarre im Mund erinnerte er mich ab und zu an den viel zu früh verstorbenen George Peppard.
Doch auch andere Themen des Buches sind lobenswert und voller Symbolkraft. So beeindruckte mich ebenso das bewahrheitete Statement Sandesjos, für T’Prynn in Liebe zu brennen, wie das Dilemma Reyes, durch seine Bevorzugung der Pflicht vor Wahrheit unzählige Leben geopfert zu haben. Die zum Teil schockierenden Entwicklungen lassen dem Erscheinen des vierten Teils „Offene Geheimnisse“ ungeduldig entgegenfiebern.
Äußerst gelungen fand ich schließlich auch die deutsche Übersetzung des englischen Buchtitels "Summon the thunder".

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Wer Wind sät...

Ich gebe außerdem zu Protokoll, dass ich mich verliebt habe! Das auf dem Cover präsentierte Design der USS Sagittarius ist sehr gelungen, und besonders ihre liliputanischen Ausmaße machen das Design so unheimlich interessant. Es ist ebenein kleines Schiff mit engen Kabinen, auf dem sich zwei Personen eine Koje teilen müssen und auf dem es keine Krankenstation, sondern ein „Krankenzimmer“ (S. 91) gibt. Dass auf der kleinen Abbildung auf dem Buchtitel sogar die angesprochene Ladeluke auszumachen ist, unterstreicht die Qualität dieses Entwurfes. Wenn nun auch noch, wie bereits im ersten Band „Der Vorbote“ geschehen, ein aufklappbarer Mittelteil das Design des Schiffes erläutert hätte, so hätte ich es wahrhaft mit leuchtenden Augen wieder und wieder betrachtet (das am Ende des Buches abgedruckte Mini-Kompendium ist der Erwähnung kaum wert).
Daneben ist zumindest die Crew des Schiffes sehr liebevoll und detailliert beschreiben worden. Einer der drei Gaststars, Commander Terrell dient als erster Offizier auf diesem kleinen Schiff. Neben ihm werden auch Jabilo M’Benga und Dr. Carol Marcus in die Handlung integriert, wobei der Autor David Mack die Forschungen um das Meta-Genom mit viel Fingerspitzengefühl thematisch an das Genesisprojekt koppelt.

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Genesis live auf der Spur

Kritikwürdige Aspekte: Es gibt nur wenige Punkte, die eine Beanstandung zulassen.
Einer davon ist allerdings ein schwerer Logikfehler. Nachdem Commander Terrell von den Shedai lebensgefährlich getroffen seine Situation analysiert, gibt er dem Fortbestand seiner Existenz nur eine eingeschränkte Zeitspanne: „Bestenfalls bin ich dann wohl gegen Mittag tot.“ Erst das Dämpfungsfeld dämmt die Ausbreitung des Metagenoms ein, doch dieses Feld nimmt er nicht an Bord, als er von Pennington und Quinn gerettet wird. Eine relativ turbulente und zeitintensive Rettung eines weiteren Crewmitgliedes beginnt, doch der mittlerweile ohne Schutz der Infektion hilflos ausgelieferte zukünftige Captain der Reliant überlebt, ohne dass sich seine Lage auch nur im geringsten verschlechterte.
Als besonders traurig ist der Umstand zu bewerten, dass, getreu einer guten alten Star-Trek-Tradition die anfangs so Furcht einflößende Spezies der Shedai „geborgt“ wird.
Angefangen bei den Klingonen, die im sechsten Kinofilm „Das unentdeckte Land“ an Schrecken verlieren, über Spezies 8472, die sich schließlich zur Kooperation überreden lassen bis hin zu den Romulanern, die ihre Heimatwelt wegen einer Supernova verlieren – jede die Föderation bedrohende Spezies verliert im Verlauf der verschiedenen Serien an Schrecken. Egal ob Ferengi, Dominion oder Kazon, schließlich passiert allen außerirdischen Rassen, was auch den Borg während Voyager widerfuhr: Sie lassen die Bedrohung, die sie am Anfang erahnen ließen, mit der Zeit verwischen.
Auch den Shedai geht es nicht anders. Zwar wurde im Vorgängerroman „Rufe den Donner“ bereits eine Gegenwehr möglich gemacht, doch erst in diesem Band verliert die Spezies an Gefahr, zerfleischt sich selbst in einem Bürgerkrieg und selbst ihre gefürchtete Meta-Genom-Infektion erweist sich als unangenehm, aber heilbar.
Die Shedai werden entzaubert und es wird einiges an Aufwand kosten, ihren alten bedrohlichen Status wiederherzustellen.
Der letzte Kritikpunkt ist schließlich – wie so oft – mit der Übersetzung verbunden.
Bücher haben eigentlich die Funktion, ihren Leser in seinem grammatisch-orthografischen Wissen zu bestärken. Doch nicht dieser Roman! Er geht einen anderen – mutigeren -Weg und versucht zu beweisen, dass es in der Zukunft viele kleinkarierte Regeln nicht mehr geben wird.
Neben kleineren Fehlern („[…] zwischen deren drei Monde […]“ (S. 9), […] eine halbe Millionen Jahre […] (S. 42) und „[…] Passage des Kodexe […]“ (S. 171)) heißt das große Thema in diesem Roman „Die richtige Verwendung von ‚dass’ und ‚damit’“. „[…] damit Xiong es hören konnte […]“ (S. 150), „[…] damit auch die Phaser wieder Energie hatten […]“ (S. 330) und „Damit ein Vulkanier so einen Zusammenbruch erleidet […]“ (S. 402) sind nur drei Beispiele für einen viel zu häufig auftretenden Fehler, der von mangelhaftem Sprachverständnis zeugt. Wer immer noch an meiner Einschätzung zweifelt, der sollte sich den Satz „In solchen Momenten fühlte sich Sandesjo weniger wie die Geliebte der Vulkanierin als wie eine völlig Fremde.“ (S. 17) vor Augen halten, um zu verstehen, dass der Übersetzer auf den Straßen Berlins zwar nicht sonderlich auffallen würde, aber von Übersetzungen Abstand halten sollte, von denen einen gewisser Sprachstandard erwartet wird.

Anachronismen: Zuerst einmal muss ich gestehen, dass ich einen Aspekt der Handlung weniger glaubwürdig fand: Die Tatsache, dass Jeanne Vinueza, die Exfrau Reyes, als Mensch Telepathin sein soll. Natürlich kann man jetzt zu Recht auf die TOS-Episode „Die Spitze des Eisbergs“ hinweisen, in der Kirk auf gleich zwei solcher Menschen trifft. Ich hingegen würde auch die TNG-Episode „Der Fall Utopia-Planitia“ verweisen, in der die Empathin Deanna Troi die Möglichkeit kategorisch ausschließt, dass auch Menschen entsprechende Fähigkeiten hätten. Das Grundproblem ist also eher, dass hier ein genereller Aussagenkonflikt besteht, und Mack sich für eine Seite entscheiden hat – ob sie für jeden Leser gleichermaßen stimmig ist, sei jedoch dahingestellt.
Auch die Behauptung, dass Tholianer höheren Druck benötigen, lässt sich mit den Beobachtungen aus „In einem finsteren Spiegel, Teil 1“ nicht in Einklang bringen.
Wie schon bei der Rezension zum dritten Titan-Band „Die Hunde des Orion“ bemerkt, hapert es in der Absprache der Autoren der beiden Fortsetzungsromane untereinander. Zwar wird mit der Erwähnung des Al-Nath-Systems eine Brücke zu Vardemans "Das Klingon-Gambit" geschlagen, doch modernere Romane werden dabei scheinbar ausgespart. Während nämlich in Titan-Serie Jetaniens Spezies abweichend dargestellt wird, kommen bei Vanguard Zweifel an der Spezies der Steuerfrau Ensign Lavenas auf. Pacifica wird hier nämlich nicht als Heimat einer indigenen Spezies, sondern als Kolonisationswelt beschrieben (S. 381). Diese kleinen Fehler stören den ansonsten recht schlüssig präsentierten Anspruch der Bücher, Informationen aus anderen Romanen aufzunehmen und eine Brücke zwischen Kanon und Romanen zu schlagen.

Fazit: Im Großen und Ganzen ist der dritte Vanguard-Roman „Ernte den Sturm“ ein würdiger Nachfolger des genialen zweiten Bandes. Sehr spannend geschrieben, toll in Szene gesetzt und mit unerwarteten Wendungen versehen, schreit der Roman geradezu nach einer Fortsetzung.
Lediglich die Degradierung der Hauptbösewichter und das haarsträubende Grammatikverständnis des Übersetzers schaffen es, diesem Werk eigentlich unverdiente Schatten aufzuerlegen.

Denkwürdige Zitate:

Im Alter von 50 haben wir alle das Gesicht, das wir verdienen.“ Reyes senior, S. 118

Wenn es eine Sache gibt, die ich in der Sternenflotte gelernt habe, dann das nichts so schlimm sein kann, dass es nicht noch schlimmer kommen könnte.“ Terrell, S. 138

Entweder hat Fek’Ihr selbst in unsere Sensorphalanx geschissen, oder Chefingenieur Ohq hat sich gerade vierzig Schläge mit dem Schmerzstab verdient.“ BelHoQ, S. 207

Eine Lüge aufzudecken, Jabilo, ist eines. An die Wahrheit zu kommen, etwas anderes.“ Dr. Fisher, S. 221

Captains, ich habe gerade Dr. Fishers forensischen Bericht über die heute getöteten Kolonisten erhalten. Die gute Nachricht ist, sie wurden nicht von den Klingonen umgebracht. Die schlechte Nachricht ist … dass sie nicht von den Klingonen getötet wurden.“ Reyes, S. 301

Natürlich tun wir das, Ming. Diese Situation verlangt nach einer dummen und völlig aussichtslosen Geste und ich denke, wir sind genau die richtige Crew dafür.“ Nassir, S. 362

Bewertung: Allen Fehlern zum Trotz genial!

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Weiterführende Leseliste:

Vanguard 01: Der Vorbote
Vanguard 02: Rufe den Donner
Vanguard 03: Ernte den Sturm
Vanguard 04: Offene Geheimnisse
Vanguard 05: Vor dem Fall

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