Dienstag, 14. Juli 2009

Suraks Seele

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Buchbespechung Dillard, J.M.: Suraks Seele. Heyne, 2003.

Story: Die Enterprise NX-01 stößt auf einen sterbenden Planeten. Ein natürlich von Archer geführtes Außenteam wird zum Augenzeugen dieses Untergangs einer ganzen Zivilisation, denn jede medizinische Hilfe, die das mäßig ausgerüstete Erdenschiff anbieten könnte, reicht nicht einmal aus, um die Krankheitsursache herauszufinden.
Und so bedarf es schon einem fremden Energiewesen, um der Crew verständlich zu machen, dass es eine Art Strahlung ist, die die Eingeborenen Oani vernichtete. Allerdings kann selbst dieser „Wanderer“ nicht genau erklären, was für eine Art Strahlung dies sein könnte und daher ist es nur eine Frage der Zeit, bis die ersten Mitglieder des Außenteams ebenfalls unter den Folgen dieser unbekannten Beeinflussung zu leiden beginnen: Phlox, Reed und schließlich auch Hoshi Sato fallen ins Koma.
Während die Crew unter Captain Archer auf einer Lösung dieses realen Problems hinarbeitet, sieht sich T’Pol einem philosophischen Dilemma ausgesetzt. In Notwehr musste sie den letzten Überlebenden der Oani betäuben, da er ein Mitglied ihrer Crew attackierte. Doch der Fremdling war bereits so geschwächt, dass er bereits durch die Wirkung eines Betäubungsstrahles das Zeitliche segnete. Daraufhin wendet sie sich ganz der pazifistischen Tradition ihres Volkes zu und verweigert fortan den Gebrauch sowie das Mitführen von Waffen. Erst als der Crew klar wird, dass der Wanderer selbst der Verursacher all dieser plötzlichen Krankheiten ist, muss die Vulkanierin ihre Prinzipien neu überdenken – oder schafft sie es selbst im Angesicht der tödlichen Bedrohung für die restliche Crew, einen friedlichen Weg zur Abwehr des Lebensenergie verzehrenden Wolkenwesens zu finden?

Lobenswerte Aspekte: "Suraks Seele" ist eine kleiner, aber feiner Star-Trek-Roman. Auf den insgesamt nur 179 Seiten Handlung baut sich Stück für Stück eine mitreißende Spannung auf, die durchaus das Potential zur Episodenhandlung hätte.
Die Figuren sind durchaus getroffen und auch typische Elemente der Serie, wie das gegenseitige Einschmieren mit Dekontaminationsgel sind von der Novellisationsveteranin Dillard geschickt übernommen worden. Daneben baut sie viele aus der Serie bekannte Ereignisse mit ein, die der Handlung zusätzliche Glaubwürdigkeit verleihen und stützt sich somit auf den serieneigenen Kanon. So ist es etwa interessant mitzuerleben, wie Phlox seinen zweiten Schlafzyklus erreicht.

Kritikwürdige Aspekte: Bei aller gegebenen Spannung ist die Geschichte merkbar konstruiert und durchsichtig. Das allein ist nicht schlimm, denn die lebhafte Erzählung kompensiert diesen Umstand und es bedarf schon eines wirklich beknackten Endes, um diesen Vorteil Null und Nichtig werden zu lassen. Diese finale esoterische und pseudo-ghandieske Widerstandsidee hätte ich persönlich nämlich eher bei Kanal Telemedial, nicht aber in einem Star-Trek-Roman erwartet.
Wer weiß, vielleicht hatten die aufgrund übermäßigem Genusses californischer Avocados ständig pupsenden Labrador-Hunde, die Dillard laut eigener Angabe in ihrem Schreibprozess behilflich waren (Danksagung, S. 186), doch bewusstseinserweiternder, als der Autorin klar war. Meiner Meinung jedenfalls kann wenigstens das chronische Einatmen toxischer Gase ein für Außenstehende so fragwürdiges Ende und die wiederholte Wiederverwertung von Energiewesen erklären.

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Keine Macht den Avocados!

Doch Dillard ist bei weitem nicht die einzige Person, der hier fragwürdige Entscheidungen getroffen hat. Auch der Übersetzer bekleckert sich, in bester Heyne-Tradition, wahrlich nicht mit Ruhm. Abgesehen von den typischen Fehlern wie Medo-Kombinationen („Medo-Tasche“ S. 18, „Medo-Zentrum“ S. 40 oder „Medoaufzeichnungen“ S. 53), Übersetzungsverweigerungen („Starfleet“ S. 104) oder Übersetzungsabweichungen (S. 76 „Speiseraum“ statt „Messe“) lassen sich auch grammatische Fehler wie „Es tut mir Leid!“ (S. 23) oder „[…] Hoshi mit ihrer außergewöhnlichen lingustischen Wahrnehmung.“ (S. 20) finden. Doch die Menge dieser kleine Fehler ist – schon allein in Anbetracht des Umfangs dieses Werkes – marginal.
Als ungleich störender empfand ich den Gebrauch von exotischen Fremdwörtern. Erst ein Duden aus dem Jahr 1967 konnte mir verraten, dass mit „Lamantine“ (S. 19) ein französisches Wort für Seekühe (Grebe, Paul (Hrsg.): Duden. Mannheim, 1967, S. 415) gemeint ist, und dass sich hinter einem „Chignon“ (S. 137) ein „im Nacken getragener Haarknoten“ (a.a.O., S. 191) verbirgt. Auch dass ein „Kasack“ (S. 111) ein „viertellanges Frauenobergewand“ (a.a.O., S. 373) ist, muss erst mühsam nachgeschlagen werden, um hinter die Bedeutung des so achtlos in den Raum geworfenen Begriffs zu steigen.
Im Gegensatz zu im Alltag durchaus gebräuchlichen und verständlichen Fremdwörtern wie „Toga“ (S. 13), „Quarantäne“ (S. 115) oder „Amöbe“ (S. 180) fehlt den angegebenen Begriffen ein gemeinsprachlicher Hintergrund, und eine Verwendung von „Seekühe“, „Haarknoten“ oder einfach „Hemd“ wären absolut ausreichend gewesen.
Andererseits war ich überrascht, dass mit einer ehernen Heyne-Tradition gebrochen wurde. Auf der Seite 114 lässt sich tatsächlich die Formulierung „deaktivierte“ finden! Kein „desaktivierte“! Da wird man fast wehmütig, dass sich Heyne aus dem Star-Trek-Büchergeschäft zurückgezogen hat, denn in diesem Werk, im Übrigen einem der letzten, das der Verlag überhaupt veröffentlichte, klingt fast so etwas wie Lernfähigkeit und der Wille, Fehler zu verbessern an. Wenn es allerdings knapp dreißig Jahre dauerte, von einem falsch angebrachten „s“ abzulassen, möchte ich lieber nicht wissen, wie lange es gedauert hätte, die deutschprachige Variante „Sternenflotte“ einzuführen oder auf „Medo“-Kombinationen zu verzichten.
Eines schließlich hätte der Übersetzer auch noch korrigieren können.
Das amerikanische Autorinnen von russischen Namen keine Ahnung haben, ist aus europäischer Sicht ja zu erwarten. Doch ein deutscher Übersetzer, geboren in einem Land, dessen eine Hälfte immerhin mehr als 40 Jahre unter sowjetischer Kontrolle stand, hätte ruhig den Namen einer russischen Navigatorin „Borowski“ (S. 131) in „Borowska“ ändern können. Warum?
Nun, in den meisten slawischen Sprachen spiegeln auch die Namen die Zugehörigkeit zum Geschlecht wieder. Natürlich könnte man jetzt monieren, dass in der Zukunft solche Namen verändert werden, doch dass auch Chekov noch immer ‚Pavel Andreievich’ heißt, spricht eindeutig gegen eine solche Reform. Außerdem ist diese Namensangleichung auch grammatisch bedingt und eine Änderung schon allein daher ausgeschlossen.

Anachronismen: Dillard hat fleißig Enterprise gesehen, und an mehreren Stellen angedeutet, dass sie Folgen wie „Zwei Tage auf Risa“ oder „Der Siebente“ gesehen hat.
Allerdings holt der lange Schatten später gedrehter Episoden auch diesen Roman ein.
So wusste Dillard, während sie diesen Roman schrieb, noch nichts über die Xindi-Mission der Enterprise. Hier wird T’Pol in „Impulsiv“ die Strahlung der Substanz Trellium D zum Verhängnis und Phlox ist in der Folge „Auf ärztliche Anweisung“ der einzige, dessen Physiologie in der Lage ist, die Strahlung einer tödlichen Anomalie überleben. Eindrucksvoll widerlegen diese Ereignisse die von T’Pol im Buch aufgestellte Thesen, „Denobulaner sind Strahlung gegenüber empfindlicher als Menschen.“ Und „Vulkanier können Strahlung besser verkraften als Menschen.“ (beides S. 84)
Besonders viel Mühe gab sich Dillard bei der Beschreibung der Familie T’Pols. Wer die Episode „Zuhause“ noch einigermaßen gut im Gedächtnis hat, wird kaum Ähnlichkeiten mit der beschriebenen Person und der von Joanna Cassidy verkörperten Mutter T’Les erkennen können. Weder war ihr Haar „[…] ebenso schwarz wie die Augen […]“, noch verfügte sie über die „[…] dunklere Haut der meisten Vulkanier […]“ (beides S. 32). Auch die Beschreibungen des Vaters, als Sproß einer Sippe mit „[…] mehreren Familiengenerationen […]“ (S. 31) beißen sich mit den Konzeptionsideen, dass T’Pols Vater Romulaner war.
Schließlich ist auch die Absicht der vulkanischen Austauschoffizierin fragwürdig, „[…] zu Suraks strengsten ursprünglichen Lehren […]“ (S. 45) zurückzukehren, denn diese Schriftbelege werden erst zwei Jahre später in „Kir’Shara“ von Jonathan Archer höchstpersönlich wiederentdeckt.

Fazit: „Suraks Seele“ verliert sich nicht in einer endlos beschriebenen Geschichte und unzähligen eng beschriebenen Seiten. Stattdessen wird auf nur 179 Seiten ein rasanter Spannungsbogen entworfen, der durchaus in der Lage ist, den Leser zu fesseln.
Doch die spannende Geschichte des Buches verliert gegen Ende durch eine abstruse Lösung des Problems an Nachvollziehbarkeit. Esoterisch, lebensfremd und unglaubwürdig löst sich die Bedrohung auf und man fragt sich schon irgendwo, warum es überhaupt zu solchen Problemen gekommen ist.
Die Übersetzungsfehler und Anachronismen wiegen, schon allein aufgrund des geringen Umfangs, nicht allzu schwer und im Großen und Ganzen kann man dem Buch zwar keine übergeordnete Stellung unter den Star-Trek-Romanen einräumen, jedoch einen Unterhaltungsfaktor für ein Lesen „zwischendurch“ zugestehen.

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Länger Leben durch Meditation?

Denkwürdige Zitate:

Ladies first.
Ladies first? Was ist das? Eine britische Redensart?
Ich bin mir nicht sicher. Meine Großmutter sagte das immer, wenn sie sich in einer Schlange vordrängen wollte.“
Malcolm Reed und Hoshi Sato, S. 87

Ah, in diesen Zeiten ein Hund sein...”
Malcolm Reed, S. 141

Bewertung: Nicht nachhaltig, aber spannend.

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Weiterführende Leseliste:

Die bei Heyne erschienenen deutschsprachigen Enterprise-Romane:

Aufbruch ins Unbekannte
Das Rätsel der Fazi
Der Preis der Ehre
Suraks Seele

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