Donnerstag, 15. Juli 2010

Der Entropie-Effekt

Buchbesprechung McIntyre, Vonda: Der Entropie-Effekt. Heyne, 1981/1983.

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Story: Spock, der erste Offizier der USS Enterprise NCC 1701 und amtlicher Wissenschaftsoffzier des Schiffes, entdeckt im Zuge von Sondierungen einer Raumanomalie, dass das uns bekannte Universum in seiner jetzigen Form zusammenbricht und sein Verfallsdatum bestenfalls noch einhundert Jahre beträgt.
Seine Arbeit wird jedoch durch eine plötzliche Abkommandierung des Schiffes unterbrochen. Aleph Prima, eine Bergbau-Basis, ruft den Kreuzer der Constitution-Klasse herbei, um einen mörderischen Schwerverbrecher in eine Rehabilitationskolonie in der unmittelbaren Umgebung zu überführen.
Während Kirk dem vermeintlichen Chaffeursdienst skeptisch gegenübersteht, setzt sich Spock energisch dafür ein. Seine Motivation ist simpel, denn bei dem Gefangenen handelt es sich um niemand geringeren als Dr. Georges Mordreaux, einen visionären Physiker, der die Ausbildung des Halbvulkaniers entscheidend prägte. Mit ihm hofft er, seine Erkenntnisse um das drohende Ableben des Universums auf wissenschaftlicher Ebene diskutieren zu können.
Aber erstens kommt es anders, als man zweitens denkt. Mordreaux ist „zur eigenen Sicherheit“ mit Drogen vollgepumpt, ein ziviler Rechtsverdreher ergänzt die Besatzung und als plötzlich der in seiner Zelle gewähnte Gefangene mit einer Schusswaffe auf der Brücke auftaucht, eskaliert die Situation vollends. Der unwahrscheinlichste Fall tritt ein: Der Schwerverbrecher erschießt Jim Kirk und die Sicherheitschefin Mandala Flynn mit einer grausamen Terroristenwaffe und verschwindet. Allerdings hat der Attentäter ein wasserdichtes Alibi: Er hat seine Zelle nie verlassen...

Lobenswerte Aspekte: Ob man es glauben mag, oder nicht: Dieses Buch ist ein Stück Star-Trek-Geschichte. Nach nur mäßigen Erfolgen vorangegangener Novellisationen und zaghaften (doch qualitativ unangemessenen) ersten Erzählungen, schien zum zwanzigjährigen Jubiläum der Serie die Zeit reif, für einen erneuten Versuch, Star Trek auf Papier zu bannen.
Nachdem bereits der Roman zu Film „The Motion Picture“ erschien, wurde schließlich „Der Entropie-Effekt“ zu einem Verkaufserfolg, was in erster Linie wohl darauf zurückzuführen ist, dass die Story weitaus komplexer daherkommt, als etwa in vorangegangenen Werken wie „Notruf aus dem All“.
Komplex schon allein deswegen, weil Zeitreisen von zentraler Bedeutung sind. Das Kopfschmerzthema wird gut aufgearbeitet, was jedoch nicht weiter verwundert, wenn man sich vor Augen hält, dass die Geschichte laut eines Interviews ursprünglich als Drehbuch für eine Folge der nie produzierten vierten Staffel der Originalserie angedacht war. Bis ins Fernsehen schaffte es der Entwurf zwar nicht, doch immerhin war es Drehbüchern von Vonda McIntyre vergönnt, eine Zeit lang auf dem Schreibtisch Gene Roddenberrys zu liegen.
Und das nicht ohne Grund, denn McIntyre erhielt vor allem deswegen den Zuschlag, weil sie als Fan die einzelnen etablierten Charaktere mit dem gebürenden Respekt behandeln würde. Dreh- und Angelpunkt ihrer Geschichte ist daher Spock, der bereits bei den ersten Zuschauern so beliebte spitzohrige erste Offizier des Schiffes. Das Werk bietet ihm viele Freiräume zur persönlichen Entfaltung und darüber hinaus auch interessante Einblicke in seine Biografie.
Wenn wir aber schon von diesem Stück Geschichte sprechen, sollte eine Figur besonders herausgehoben werden: Sulu.
Der Steuermann der Enterprise erhält hier nicht nur eine längst überfällige romantische Beziehung, sondern, was noch viel wichtiger ist, endlich einen Vornamen! Der in Star Trek VI: „Das unentdeckte Land“ endgültig Kanon gewordene Vorname 'Hikaru' (vgl. S. 10) ist eines der rar gesäten Beispiele für den Umstand, dass die Star-Trek-Bücherwelt den in Filmen und Serien gewährten Informationen Vorschub leisten. Einen solchen Umstand gab es in dem Ausmaß erst wieder mit Star Trek XI, der Uhura und Kirks Mutter ganz offiziell mit einem Vornamen versah.
Das passt irgendwie ins Gesamtbild, denn auch folgende (schon einmal in der Rezension zu „Die Asche von Eden“ zitierte) Äußerung aus einem Interview mit Alex Kurtzman und Roberto Orci zur Konzeptionsgeschichte des elften Kinofilms fügt sich nahtlos ein:

And, reading the novels helped, a lot of Star Trek novels.
Roberto Orci, Z. 117

Vielleicht stand ja dieses Werk für eine der zentralen Ideen der Neuinszenierung Pate. Dort grübelt nämlich McCoy auf Seite 203 über die Schwierigkeiten von Zeitreisen nach:

Vielleicht würde sich auch nichts ändern. Vielleicht würde dieser Zeitverlauf unverändert weitergehen, und Jim Kirk und Mandala Flynn waren für immer tot, und wenn es Spock gelingen sollte, irgend etwas zu tun, so würde das nichts anderes sein als der Beginn einer alternativen Version der Realität.

Selbst die nachfolgende Bücherwelt konnte sich der Sogwirkung dieses ersten Romans nicht entziehen. Sulus Wunsch, auf die Aerfen versetzt zu werden, spielt in „Die erste Mission“ noch einmal eine Rolle, die Super-Uni 'Makropyrios' wird in „Fremde vom Himmel“ nochmal aufgegriffen und Mandala Flynns Traum vom eigenen Kommando erfüllt sich letztendlich in der Novellisation „Der Zorn des Khan“.
Wer Lust und Laune hat, die angesprochenen Entwicklungen weiterzuspinnen, kann sogar einige Trends ausmachen.
Wird Sulus feurige Flamme Flynn etwa die zukünftige Mutter von Demora Sulu?
Stammt daher Amy Winehouses „They tried to make me go to Rehab“ (vgl. S. 30)?
Ist McCoys Einsatz als kommandierender Offizier auf der Brücke ein Vorbild für spätere Nacheiferer wie Dr. Crusher oder das MHN der Voyager?
Hat das alles wieder ins rechte Lot rückende Ende schließlich sogar die Autoren des Voyager-Zweiteilers „Ein Jahr Hölle“ beeinflusst?
Und Stichwort Voyager: Das leidige Indianer-Thema schlägt mal wieder zu! Nach dem Beziehungs-Fiasko in der Episode „Der Obelisk“ und dem Steuermann Dawson Walking Bear aus der TAS-Folge „Kulkulkan – Der Mächtige“ glaubte man eigentlich, dass sich das Thema erledigt hätte.
Aber Kirks Ex-Flamme Hunter steht eher dafür, dass es eine nachvollziehbare Kontinuitätslinie zur TNG-Folge „Am Ende der Reise“ und schließlich selbst Chakotay gibt.
Gut, Hunter ist weiblich, Chakotay männlich; Hunter hat eine Feder, Chakotay ein Tattoo; Hunter lebt in einem Hippie-Harem und Chakotay schleppt schließlich eine Borg ab – aber sonst ...



Rehab Sieben?

Kritikwürdige Aspekte: Trotz aller Zeitreisen: So wirklich in die Zukunft versetzt fühlt man sich mit diesem Buch nicht, denn nicht zuletzt Mordreaux' Zitat beweist (vgl. Denkwürdige Zitate), dass sich der Mensch eigentlich in die Vergangenheit zurücksehnt.
In jene guten alten Tage, in denen noch „Bänder gelöscht“ (S. 37) und Bücher auf „Kassette“ vertrieben (S. 38) und in Scottys Büro stapelweise „Computerausdrucke“ genutzt wurden (S. 153) – sie sind Gott sei Dank vorbei!
Schon heute sind digitale Dokumente, E-Books und iPads (im Grunde genommen also PADDs) ein Standard, der 'das unentdeckte Land' vor archaischen Kommunikationsinstrumenten wie hier beschrieben schützen sollte.
Ebenso im Zeichen der Zeit ist der zur Schau gestellte Pseudo-Radikalismus.
Captain Kirk ist tot? Die Zukunft für immer verändert?
Humbug!
Nur zwei Kinofilme später werden Zeitsprünge so richtig en vogue! In zwei weiteren Filmen wird munter in der Zeitlinie herumgepfuscht und in wirklich jeder einzelnen Serie scheuen sich die Protagonisten nur selten, dem alten (oder zukünftigen) Kirk nachzueifern.
Nun muss man McIntyre selbstverständlich zugute halten, dass sie so ziemlich die erste war, die dieses umfangreiche Thema heruntergebrochen, zusammengestaucht und in ein Buch gestopft hat. Doch bereits zuvor wurden temporale Eingriffe in Folgen wie „Griff in die Geschichte“, „Morgen ist gestern“ oder „Portal in die Vergangenheit“ selbst in der klassischen Serie bis zum Abwinken behandelt und die vielen später folgenden Vereinnahmungen haben das Motiv so sehr ausgelutscht, dass ein erfahrener Leser heute bereits nach wenigen Zeilen weiß, dass sich spätestens am Schluss alles in Wohlgefallen auflösen wird.
Ungleich schwerer wiegt allerdings die Behandlung der verschiedenen Charaktere. Wie bereits erwähnt, lautete einer der Beweggründe zur Verpflichtung McIntyres, dass sie als Fan den Hauptcharakteren mit dem nötigen Respekt gegenübertreten würde. Obwohl sie diesen Job eigentlich recht gut meistert, gibt es zwei Figuren, die wie faules Obst aus dem Früchtekorb herausstechen.
Eine davon ist ein tragisches Opfer, denn eigentlich hätte sie McIntyres volle Aufmerksamkeit verdient: Niemand geringeres als der allseits beliebte Chefingenieur Scotty stinkt ganz schön ab! Vom Triumvirat aus Kirk, Spock und Pille wird er vernachlässigt und der schwarze Peter der versuchten Meuterei gegen die eigenen Kameraden bleibt ausgerechnet bei dem Mann hängen, der im dritten Kinofilm „Auf der Suche nach Mr. Spock“ die USS Excelsior zur Rettung Spocks sabotiert.
Übertroffen wird Scotty nur noch von seinem wirren Komplizen Ian Braithewaite – ein unfertiger Charakter ohne glaubwürdigen Hintergrund, denn der Mann verfügt über rein gar keine Attribute, wie sie fiktionale Paragraphenjongleure wie Perry Mason, Ben Matlock oder Danny Crane ausmachen. Viel eher gleicht sein Auftreten einer Mischung aus einem Ermittler der spanischen Inquisition ohne Spanischkenntnisse, Luis de Funes ohne Humor und Inspektor Gadget ohne Gadgets. Derart tapsige Ermittlungsversuche, grundlose Verdächtigungen und völlig unnachvollziehbare Schlussfolgerungen nerven, zumal mir sein Ende im alternativen Zeitrahmen (vgl. 247f.) nicht einleuchten will: Ist der Mann jetzt tot oder ebenfalls zurück in die Vergangenheit gesprungen? Falls letzteres zutrifft, was stellt er dort für Unsinn an? Oder springt er von nun an ständig in verschiedene Körper, um anderen Personen zu helfen, die richtige Abbiegung im Leben zu nehmen?
Abgerundet wird der Vorbeimarsch der Fehlbesetzungen schließlich durch die Manschaftsränge innerhalb Sicherheitsabteilung der USS Enterprise (vgl. S. 80f.), denn im Ernst: Die ist eine einzige Freakshow!
Ein potentieller Terrorist, ein Extreme-Dinosaur, ein vermeintlicher Vorfahre Spots sowie eine zu Riesenwüchsigkeit neigende Bodybuilderin, die sich in Wirklichkeit viel lieber um Blumen kümmern möchte. Hier wäre eventuell weniger Hang für extreme Charaktere der Gesamtdarstellung dienlicher gewesen.
Abschließend muss ich noch über das Cover meckern.
Zuerst einmal über das Amerikanische, dass neben dem angesprochenen Interview zu sehen ist. Natürlich ist es gut, dass man darauf einen Eindruck erhält, wie sich die Autorin das angesprochene Äußere Sulus in etwa vorstellt – irgendwo zwischen Bruce Lee, David Carradine in Kung Fu und Ohara. Doch Uniformen und Schiff verweisen auf eine Epoche, die das Buch in eine Zeit nach dem ersten Kinofilm versetzt. Die Ränge Kirks und Spocks suggerieren hingegen etwas völlig anderes.
Aus dem deutschen Frontbild werde ich hingegen noch weniger schlau: Die Enterprise suggeriert ebenfalls eine zeitliche Einordnung nach 2270, doch die Uniformen sprechen die deutliche Sprache der Originalserie.
So richtig störend daran sind allerdings das Phasergewehr und Ilia, die zwar toll aussehen, doch mit dem Inhalt so wirklich überhaupt nix zu tun haben, denn es kommt zwar ein 'Ilya' vor (vgl. S. 51), aber der hat abgesehen vom Klang nur wenig mit der Pheromone verbreitenden Deltanerin gemein.

Übersetzung: Wie beschrieb es meine treue Leserin und Rezensentenkollegin Ameise so treffend?

Hallo Turon, ich bin mal auf deine Rezension zu "Der Entropie-Effekt"
gespannt! Ich wette, es wird ein laaaanges Kapitel über die miese Übersetzung geben..
“ (shoutbox am 09. Juli 2010)

Um meinen Vorschusslorbeeren gerecht zu werden, sage ich es frei und ohne jegliche Beschönigung heraus: Dieses Werk ist eine der so ziemlich beschissensten Übersetzungen, die mir jemals untergekommen ist.
Wie fern jeglichen Sprachgefühls muss man sein, um „event horizon“ mit „Geschehens-Horizont“ (S. 12) „malfunction“ mit „Malfunktion“ (S. 90) oder „Prima“ statt „Prime“ (S. 6) zu übersetzen? Ich meine, wenn es wenigstens „Primus“ gewesen wäre, aber „Aleph Prima“ hört sich nach einem zungengelähmten Lispler an, der Schwierigkeiten hat, „Alles prima!“ richtig auszusprechen. Ich bin mir außerdem nicht sicher, ob ich auch ein Buch lesen würde, in dem von "Cardassia Prima" die Rede ist.
Doch wer sich das Buch zu Gemüte führt, muss sich mit haarsträubenden Begriffen wie „ultimativ vorrangiger Befehl “ (S. 15), „Veterinär-Freund“ (S. 74) oder „Intensiv-Apparaturen“ (S. 222) abfinden, von unkreativen Übertragungen wie „dreitägiger Bart“ (S. 140) statt, „Drei-Tage-Bart“, „Peitschen-Effekt“ (S. 124) für „slingshot effect“ oder „Ich werde ihn mit Seidenhandschuhen anfassen.“ (S. 188) statt „Ich werde ihn mit Samthandschuhen anfassen.“ ganz zu schweigen.
Eher putzig waren im Gegensatz dazu doppelt gemoppelte Wortneuschöpfungen wie „Abschirmschilde“ (S. 5), „Bedienungsknöpfe“ (S. 201) oder „Hörkassette“ (S. 158), die sich problemlos in die selbe Kategorie (Pleonasmen) wie „weißer Schimmel“, „Haarfrisur“ oder „ABM-Maßnahmen“ einreiht und wenigstens aus dem ermüdenden Reigen durch Bindestriche kombionierter Wörter ausschert.

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Ein atemberaubendes Stück futuristischer Technologie: Hörkassetten

Dass die in der deutschen Synchronisation üblichen Bezeichnungen größtenteils ignoriert werden, kann man an hölzern klingenden Varianten wie „Sterndatum“ (S. 15) statt „Sternzeit“, „Nerv-Pressur“ (S. 119) beziehungsweise konkurrierend dazu „Nerven-Pressur“ (S. 218) statt „Nervengriff“ oder „Transporter-Beam“ (S. 216) statt „Transporter-Strahl“ sehen.
Besonders letzterer Begriff ist ein trauriges Beispiel für einen deutlichen Hang zu unnötigen Anglizismen. So trifft man auf klare Entlehnungen aus dem Englischen wie „Starfleet“ (S. 11), „Beam“ (S. 51) oder „Hijacking“ (S. 210) – von den übertrieben häufigen 'Goodbyes' ganz zu schweigen (vgl. z.B. S. 65, S. 184 oder S. 235). Besonders nervig stoßen dabei jedoch Zwitterwesen wie „Cassetten“ (S. 23), „Starbasis“ (S. 25) oder das merkwürdig getrennte „Biofeed-back-Technologie“ (S. 99) auf, die irgendwo zwischen beiden Sprachen liegen, und dennoch beiden allzeit fremd bleibt.
Das alles ist jedoch nur die Spitze des Eisberges. Ermittler „Braithewait“ (S. 189), Bordarzt „MacCoy“ (S. 141) oder der Physiker „Mordreyus“ (S. 110) beweisen mit ihrer Schreibweise eindrücklich, dass schon die korrekte Übertragung von Eigennamen den Übersetzer heillos überforderte. Das bleibt jedoch nicht nur auf Eigennamen beschränkt, denn auch der Job eines „Nachschub-Leichters“ (S. 68), der Zustand der „Statis“ (S. 109) oder der Rang des „LIEUTEANTS“ (S. 205) offenbaren entsprechende Schwächen. Besonders interessant ist dahingehend der „Ornanismus“ (S. 233). Was soll das sein? Vielleicht ein „Ornament“? Oder etwa „Ornithologie“? Vielleicht ist dem Übersetzer da aber, wie bereits in „Förderation“ (S. 191), lediglich ein 'r' zuviel in die Buchstabensuppe gefallen...
Spätestens jedoch, wenn „Paradoxes“ (S. 183) als Plural ausgelegt wird, der Autor „einen ethischen Konsensus“ (S. 221) für die korrekte Formulierung hält oder „hahnebüchener Unsinn“ (S. 239) für die korrekte Schreibweise; erhält jener Satz einen faden Beigeschmack, der „Captein“ (S. 154) „Krik“ (S. 92) auf Seite 22 in den Mund und den Verstand gelegt wird:

„Also“, sagte Kirk, „immer mehr geheimnisvoll.“ Er blickte Spock an und erwartete einen zurechtweisenden Blick wegen seiner schlechten Grammatik.

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Im Auftrag Spocks: Ein zurechtweisender Blick für die schlechte Grammatik UND die beschissene Orthografie dieses Buches

Anachronismen: Miles O'Brien hat mir immer leid getan. Er hat für die Sternenflotte auf Setlik III, der USS Enterprise und Deep Space Nine mehrfach sein Leben riskiert und allen fälligen Gefahrenzulagen zum Trotz war es dem zweifachen Familienvater nicht einmal vergönnt, in den Offziersstand aufgenommen zu werden.
Dass dies geht, beweist hier Mandala Flynn, die den Rang eines Commanders bekleidet (vgl. S. 6), obwohl sie die Sternenflottenakademie noch nicht einmal besuchte (vgl. S. 44f.)!
Doch auch die Beziehung zwischen Kirk und seiner zweiten Indianerfrau Hunter ist nicht frei von Rätseln, denn das eine Mal heißt es, dass sich beide aus der Schule (vgl. S. 19), später allerdings von der Akademie kennen würden (vgl. S. 51ff.).
Doch auch Spock, dessen Spezies laut „Kodos der Henker“ oder „Das Eis bricht“ angeblich keinen Alkohol trinkt, soll nicht nur von McCoy dabei gesehen worden sein (vgl. S112), sondern erinnert sich sogar selbst an diesen rabenschwarzen Tag (vgl. S. 117)! Dabei behaupten Vulkanier doch, nie zu lügen (vgl. S. 242)...
Ebenfalls verwunderlich ist die Existenz der Mutantin Jenniver Aristeides'. Nicht nur, dass sie das Produkt einer genetischen Manipulation ist, die laut Folgen wie „Der schlafende Tiger“, „Dr. Bashirs Geheimnis“ oder „Borderland“ unmöglich sein müsste; sie misst darüber hinaus auch noch 250cm, verfügt über einen stark ausgeprägten Knochenbau und übernatürliche Muskelmassen (vgl. S. 59). Natürlich ist das auf ihre Heimat zurückzuführen, auf der viel höhere Gravitation herrscht. Admiral Hostetler-Richman in „Die Gesetze der Föderation“ (vgl. a.a.O., S. 35) entstammt ebenfalls einer solchen Welt, doch ihr Körperbau entspricht völlig entgegengesetzten Ausmaßen: Die Beine der zierlichen Frau erreichen beim Sitzen auf Erdenmöbeln noch nicht einmal den Boden.
Ebenso widersprüchlich ist die Ausführung Kirks, warum sein Schiff nicht innerhalb des Systems auf Warp springen könnte, um den gefährlichen Transport des gefährlichen Passagiers so schnell wie möglich über die Bühne zu bringen. Schließlich ist spätestens seit dem achten Kinofilm „Der erste Kontakt“ oder „Erstflug“ sehr wohl, dass amn selbst innerhalb eines Systems mit niedriger Geschwindigkeit reisen kann, ohne den Warpantrieb zu überlasten. Wobei sich allerdings schon die Frage stellt, ob das Schiff nun über einen (vgl. S. 196) oder mehrere „Warp-Antriebe“ (S. 174) verfügt.
Zum Schluss muss es natürlich auch noch um das Thema gehen, um das sich die ganze Welt dreht. Beziehungsweise 'drehte', denn die Zukunft der Menschheit ist laut Informationen aus „Zurück in die Gegenwart“, „Der erste Kontakt“ oder „Die Karte“ vom Übel des Geldverkehrs befreit, um höheren Entwicklungszielen Genüge zu leisten.
Davon ist im Roman nur wenig zu spüren: Sulu will in einem Restaurant auf „Alpeh Prima“ (S. 61) die anstehende gemeinsame „Rechnung“ (S. 38) mit Flynn begleichen, Raumschiffes fahren mit „Billigflagge“ und Kolonien der Menschheit können „bankrott “ gehen (beides S. 158).

Fazit: „Der Entropie-Effekt“ ist ein Stück Star-Trek-Geschichte – für den offiziellen Kanon UND die Bücherwelt. So etwas zu lesen lohnt sich, selbst wenn heute Zeitreisen ein alter Hut sind und der ein oder andere Charakter eine schlechte Figur macht. Selbst die Anachronismen sind verständlich in einer Zeit, als es nur die Originalserie, die Trickfilmserie und den ersten Kinofilm gab.
Doch die miese Übersetzung vergällt dem Freund unserer Sprache den Lesespaß ein paar mal zu oft. Die deutsche Version wirkt lustlos hingekliert und versteht nicht einmal den Minimalstandards von Taschenbüchern zu genügen.

Denkwürdige Zitate:

Don Juan Kirk, Casanova der Raumstraßen ...
Leonard McCoy, S. 74

Gott verdamme Sie, Spock! Verdamme Sie! Verdamme Sie!
Leonard McCoy, S. 115

Die Gegenwart mag Ihnen utopisch vorkommen, aber ich versichere Ihnen., daß fast jedes menschliche Wesen, das Ihnen genügend vertraut, um seine Hoffnungen und Träume mit ihnen zu diskutieren, ein tief verwurzeltes Verlangen eingestehen wird, in einer anderen Zeit zu leben, eine Überzeugung, daß es sich irgendwie am falschen Ort fühlt und an einen anderen gehört, den es nicht erreichen kann.
Georges Mordreaux, S. 147

Bewertung: Star-Trek-Historie mit argen Schönheitsfehlern.

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10 Kommentare:

  1. Ha, ich WUSSTE es ;)) Habe gerade Tränen gelacht, als ich dein Fazit über die Übersetzung las! Ich kann dir nur zustimmen: Von allen bisher gelesenen ST-Romanen war die Übersetzung bei diesem Buch am schlimmsten.

    Vieles in deiner Rezension deckt sich mit dem, was ich mal bei lovelybooks in der Star Trek-Gruppe schrieb, als wir uns Anfang letzten Jahres diesen Roman vornamen. Ich bin mal so frei und kopiere meinen Beitrag vom 25.03.09 hinein, nur so als Vergleich:

    "1. Ich bin ja wirklich nicht sehr fit im Englischen, aber die Übersetzung ist teilweise ziemlich daneben. Aleph Prima klingt echt albern, da hätte man es bei Aleph Prime lassen sollen. Warum die Figuren sich mit "Goodbye" statt mit "Auf Wiedersehen" voneinander verabschieden, will mir auch nicht recht in den Kopf. Und nun das "Beste": Irgendwann sagt Spock, er könne keine "Malfunktion" feststellen. Häh??? Was meint er, die Multiplikations-Taste am Taschenrechner vielleicht? Nein, die Rede ist wohl von einer Fehlfunktion, englisch "malfunction".

    2. Druckfehler sind wohl doch keine Erfindung des Cross-Cult-Verlags. Hier in diesem alten Heyne-Büchlein kommen sie ebenfalls mehrfach vor. Kirk kann auch schon mal Krik heißen. Und jemand sollte sich mal entscheiden, ob der Staatsanwalt Braithewaite oder Braithewait heißt.

    3. Das Cover ist ebenfalls recht erstaunlich: Neben Kirk und Spock ist auch Ilia zu sehen! Ihr wisst schon, diese glatzköpfige Deltanerin aus dem ersten Star Trek-Film. Äh, wieso eigentlich? Der (männliche!) Waffenoffizier auf der "Aerfen" heißt Ilya Nikolajevich, aber das kann doch nicht der Grund sein, oder?"

    Insgesamt hat mir "Der Entropie-Effekt" aber ganz gut gefallen, weil es ein richtig guter Science-Fiction-Roman ist. Die Übersetzung und die Rechtschreibung sind aber tatsächlich so grottenschlecht, dass die deutsche Ausgabe fast schon wieder komisch wirkt.

    Schöne Grüße!

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  2. Hast die Kritik wie immer spitze geschrieben. Ich machs jetzt hier etwas kürzer. Habe bei Quintessenz versehentlich schon so viel geschrieben.

    Zur Übersetzung: Ich kann mich natürlich irren, aber ich meine, dass zu Beginn der 80er die englische sprechende Zunft in Deutschland noch nicht flächendeckend verbreitet war. Damals hatte man noch nicht das Welt-Bürger-Verständnis, dass sich heute auf breiter Fläche durchgesetzt hat. In der Folge haben auch die Unternehmen Englisch-Kenntnisse noch nicht als notwendiges Kritierium bei der Bewerbersichtung wahrgenommen. Es war zwar klar, dass man für bestimmte Aufgaben Fremdsprachenkenntnisse benötigt, aber es hat scheinbar gereicht, wenn Übersetzungen nur Durchschnittlich mit einem Langenscheidt angefertigt wurden. Wer sollte bzw. wollte es denn Korrekturlesen, wenn viele noch nicht mal das "the" richtige aussprechen konnten.

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  3. @ Ameise:

    Moin Ameise,
    ich hab meinen Kommentar auf Deinen Kommentar einfach mal auf Deine eigene Seite verlegt ( http://st-rezi.blogspot.com/ )...

    @ Bernhard

    Moin Bernhard,
    Oh ja, die Achtziger waren eine schlimme Zeit, doch es war auch die Zeit, in der deutsche Bands wie Modern Talking, Alphaville oder Camouflage auf englisch sangen und hüben wie drüben extremfriserte Jugendliche dazu ihren Körper in nahezu epileptischen Bewegungen kreisen ließen.
    Gut, verstanden hat sowieso kaum jemand, wovon die da eigentlich singen.
    Abba "Starfleet"? "Hijacking"? "Beam"? Woher sollte der Otto-Normal-Leser wissen, worum es sich bei solchen exotischen Ausdrücken handelt? Und die Mehrzahl der Fehler betraf ja noch nicht einmal englische Begriffe!
    Doch Du hast natürlich Recht. Da wollte niemand Kontrolllesen, niemand extra Geld für ein Lektorat verplempert oder mal wenigstens ein paar seiten überfliegen, denn die anfänglichen Verkaufserfolge von Star-Trek-Romanen hierzulande haben ganz einfach bewiesen, dass man aus solchem Übersetzungsmüll tatsächlich Gold machen kann...

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  4. Cool!

    ;o)

    lg
    TrekFan1977

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  5. Zum Thema, dass Vulkanier keinen Alkohol trinken: In "The Squire of Gothos" lässt sich Spock von McCoy doch auch einen doppelten Cognac einschenken. Oder soll seine Bemerkung, dass das Getränk wie alle Dinge in Trelanes Haus keine Substanz hätten, implizieren, dass der Cognac kein richtiger ist, sondern nur wie Cognac aussieht?

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  6. Ich verstehe, was der Song "Rehab" mit diesem Roman zu tun hat.

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  7. Sorry, ich meinte "Ich verstehe NICHT, was der Song "Rehab" mit diesem Roman zu tun hat. Könntest Du mir das bitter erklären, turon47?

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  8. @The Naked Data:

    Ich hoffe, es ist okay, wenn ich die in der Luft hängende Frage beantworte: Im Roman soll ein offenbar durchgeknallter Physikprofessor zur Rehabilitationskolonie Sieben alias Rehab Sieben gebracht werden. An der Stelle des Buches hatte ich ebenfalls sofort den Amy-Winehouse-Song im Ohr...

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  9. Vielen Dank, Ameise! Ich finde Deine Rezensionen übrigens genauso gelungen wie die von Turon47!

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  10. Bereits seit den Tagen als das Raumschiff Enterprise erstmals gegen die unendliche Stärke der Sportschau den Kampf aufnahm,bin ich Besatzungsmitglied.In der irrelevanten Hoffnung etwas von dem Geist der alten Serie zu finden,greife ich immer wieder nach Startrekbüchern. Ich glaube jeder der zu dieser Art von Büchern greift,weiß das er keinen Orwell,Wells usw. zu lesen bekommt. Aber verdammt ich will Kirk,Spock,Pille und Co zwischen den Zeilen spüren!!...Nun gut vielleicht abgesehen von einer liebevolleren Übersetzung,einen beigefügten Gutschein über eine Maggiesuppe für Zwischendurch (verhandelbar).
    Ein großes Lob an deine Star Trek Roman Rezensionen!!
    Deine Ausführungen sind nicht nur informativ sondern haben einen augenzwinkernden Humor den ich mich kaum entziehen konnte. Alleine für die Bilder in denen du die Bücher vorstellst, hast du ein "Daumen hoch" von mir verdient.
    Danke, mach weiter so!!!

    Gruß von einen Trekki

    PS.: Werde mich mit Maggisuppen eindecken und deine Rezensionen lesen !!!

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