Dienstag, 13. August 2013

Typhon Pact II: Feuer

Buchbesprechung Martin, Michael A.: Typhon Pact. Bd. II. Feuer. Cross Cult, 2010/2013.

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Story: Was man so alles findet, wenn man im Weltall herumstromert! Die Crew der USS Titan jedenfalls stößt auf eine Reihe von künstlichen Klasse-M-Planeten, die allerdings kein Leben aufweisen. Schnell wird klar, dass es sich kaum um einen Zufall handeln kann. Doch die Sternenflotte ist nicht die einzige Macht, die auf dieses außergewöhnliche Phänomen aufmerksam wird. Bei ihrer Suche nach den Ursprüngen trifft das Schiff unter dem Kommando William T. Rikers auf eine Expeditionsflotte der Gorn, die bereits einen Schritt weiter sind: Sie haben ein antikes Artefakt ausfindig gemacht, das in der Lage ist, planetare Objekte nach Belieben zu verändern.
Doch solch große Macht lässt sich auch immer problemlos als Waffe einsetzen. Dieser Umstand wird der Besatzung des Forschungsschiffes nur allzu deutlich, als sie erkennen muss, dass die verzweifelten Gorn gerade dabei sind, die Wirkung ihrer neuesten Errungenschaft in der Praxis zu testen – an einer bewohnten Welt...

Lobenswerte Aspekte: Nu gugge ma, die Gorn! Wenig bis gar nichts hat der in unseren Breiten beheimatete Star-Trek-Anhänger bislang über die kaltblütigen Reptiloiden erfahren können, die unter der Hand des offiziellen Kanons immerhin als Mittelmacht innerhalb der Einflusssphäre der Föderation gehandelt werden.
In seinem ersten auf deutsch erschienenen Solowerk schafft es Michael A. Martin auch mal ohne die tatkräftige Unterstützung seines Schreiber-Sidekicks Andy Mangels, aus den wenigen zur Verfügung stehenden Informationen eine schlüssige Gesellschaft aus dinosauriergleichen Echsen zusammenzubasteln, deren Komplexität und Glaubwürdigkeit den Leser in den Bann schlägt. Quasi im Vorbeiflug erklärt er, warum die beiden einzigen Real-Serien-Auftritte der Gorn so unterschiedliche Erscheinungsformen der Spezies boten (vgl. S. 11), festigt eine Abneigung der schuppenbewehrten Kreaturen gegen Säugetiere, die bereits in der dritten Staffel "Enterprise" anklang (vgl. S. 79) und kramt eine Reihe von ebenfalls auf Kriechtieren basierenden Föderationsmitgliedern aus, deren Auftritte ansonsten nur auf den Hintergrund einiger Kinofilme beschränkt waren (vgl. S. 163ff.).
Höhepunkt sind allerdings die beinahe lehrbuchartig zusammengetragenen und dazuerfundenen Gorn-Informationen. Angefangen dabei, dass die Spezies über mehr als einen Magen verfügt (vgl. S. 143), über die Gliederung der Gesellschaft in zusammengezüchtete Kasten (vgl. S. 24), bis hin zu Gruselgeschichten für reptiloide Kleinkinder (vgl. S. 145) leuchtet Martin großzügig eine große Menge an dunklen Ecken aus, die dem Fan bis dato verschlossen oder seiner eigenen Fantasie überlassen blieben. Besonders aber die Interpretation einer charakteristischen Gorn-Ausprache allseits bekannter Ausdrücke wie "Borg" (vgl. S. 18), "Kirk" (vgl. S. 20) oder "Metronen" (vgl. S. 116) zeugt deutlich von einer Detailversessenheit, die entscheidend zu einem positiven Gesamtbild beträgt.
Angenehm fällt dabei ferner auf, dass die Gorn trotz aller Abneigungen, Antipathien und Vorurteile erschreckend menschlich bleiben (auch wenn das in diesem Zusammenhang beleidigend klingen mag). Im Endeffekt spiegeln sich bei allen kulturellen Abweichungen in den herpetologischen Betrachtungen Martins auch immer wieder Wesenszüge wider, die wir aus dem eigenen Erfahrungsbereich kennen. So gibt es ebenso Platz für innige Männerfreundschaften (vgl. S. 55ff.) wie für herzerweichende Liebesschnulzen (vgl. S. 438ff.) und Hauptprotagonist S'syrixx entpuppt sich im Endeffekt sogar als so eine Art reptiloider Edward Snowden (vgl. S. 85ff., S. 327 oder S. 456ff.)
Und obgleich sich in letzter Zeit häufige Referenzen auf die einzelnen Star-Trek-Fernsehserien und -Filme (vgl. z.B. S. 44ff., S. 303, S. 335 u.v.m.) längst zum allgemeinen Standard für Star-Trek-Romanautoren gemausert haben, packt Martin noch eine Schippe drauf: Wie man in seiner Danksagung (vgl. S. 477ff.) ausgiebig erfahren kann, bediente er sich Dutzender Quellen und war sich auch nicht zu schade, auch Querbezüge zu den Entwicklungen in anderen Romanreihen zu positionieren (vgl. z.B. S. 34 zum Titan-Vorgänger "Synthese", S. 19 zum TOS-Buch "Das Schlachtschiff" oder S. 159 zum Comic "Die Gorn-Krise"). Direkt schade, dass einige davon, wie etwa "The Dying of the Light" (vgl. S. 19), "A Time to Heal" (vgl. S. 182) oder "Inferno" (vgl. S. 379) bislang noch nicht in deutscher Sprache erschienen sind, während dieses Buch bereits weit in die Föderationszukunft greift.
Immerhin gibt es nach langer Zeit mal wieder ein (Nicht-) Lebenszeichen von Data (vgl. S. 353), vom dem der geneigte Leser von Comics wie "Countdown" ja immerhin schon weiß, dass er wie Phönix aus der Asche wiederauferstehen wird.
Wäre sonst noch etwas zu erwähnen?
Nun, die wundersame Rettung S'syrixx aus dem mörderischen Vakuum des Alls (vgl. S. 123) erinnert ein wenig an "Per Anhalter durch die Galaxis" und die refrainartige Wiederholung von Formulierungen wie "Wir gehen rein und wieder raus, niemand wird verletzt." (S. 97, vgl. außerdem S. 45) lässt an Jonathan Coultons Song "Redshirt" denken.



Kritikwürdige Aspekte: Wann ist ein Mann ein Mann? So fragte Herbert Grönemeyer die Bundesrepublik herausfordernd im Jahre 1984. In diesem Falle könnte man gleichsam plakativ die daran angelehnte Frage stellen:
Wann ist ein Typhon-Pact-Roman ein Typhon-Pact-Roman?
Denn mal ehrlich:
Von eben jenem Bündnis, dass als Gegenentwurf zur Föderation in die Welt gesetzt wurde, erfährt man in diesem Werk herzlich wenig. Der vermeintliche Höhepunkt ist eine ständig wie ein Damoklesschwert über der Handlung schwebende Flotte aus den Schiffen verschiedener Mitglieder (vgl. S. 220ff.), deren Ankunft man als Leser allerdings nicht einmal miterlebt. Da bleibt kein Platz für Konflikte mit Wesen, deren Cleverness die der vergleichsweise schwerfälligen Gorn übersteigt. Trotz der Bedeutung des Artefakts machen sich nicht einmal die Romulaner wie noch in "Der Telepath" die Mühe, den Antrieb eines ihrer Schiffe überzustrapazieren, um der Sternenflotte gegenüber einen taktischen Vorteil zu erlangen – und das obwohl das Terraforming-Artefakt auch eine Lösung für die Zerstörung Romulus' bieten könnte.
Im Vergleich zu "Feuer" verdient also selbst der dritte Destiny-Band "Verlorene Seelen" eher das Prädikat "Typhon Pakt", denn dort kann man immerhin etwas Substanzielles über diese dubiose Allianz erfahren. Den einzigen zusätzlichen Eindruck, den man vom Zusammenschluss der unterschiedlichen Partner in diesem Werk erfahren kann, ist, dass man sich kaum vor diesem neuen Gegner zu fürchten braucht, denn nachdem bereits klar wurde, dass die romulanischen Bündnispartner so eine Art Nordkorea mit Tarnkappenbombern darstellen und die Breen laut "Nullsummenspiel" in ihrer Integrität von FKK-Sektierern bedroht werden, kann man nun erfahren, dass den angeblich so mächtigen Gorn allmählich das Kanonenfutter ausgeht. Und wie bedrohlich eine Militärmacht ohne Armee sein dürfte, kann man sich an einem Finger abzählen.
Nein, dieses Werk ist viel eher ein Titan-Roman mit Gorn-Schwerpunkt. Entsprechend sollte er auch verpackt werden. Wobei das Problem an den Gorn bleibt, dass sie, wie es Christian Humberg im abschließenden Essay unter dem Titel "Too Far Gorn" selbst beschreibt (vgl. S. 481ff.), nur in einer einzigen Folge der klassischen Serie überhaupt einmal näher betrachtet wurden. Entsprechend häufig wird "Ganz neue Dimensionen" auch als Referenzpunkt herangezogen (vgl. S. 116, S. 210, S. 314 u.v.m.), wobei es relativ auffällig zufällig erscheint, dass ein Schiff, das nach dem Captain des Erstkontakts der Gorn mit den Menschen benannt ist (vgl. S. 19), ebenso munter im Geschehen mitmischt, wie ein Nachfahre eben jenes Crewmitgliedes, das anno dazumal die Menschen mit seiner Stimmenimitation hereinlegen konnte (vgl. S. 58).  
Überhaupt fällt es sehr schwer, den verschiedenen Gorn-Charakteren zu folgen. Das liegt allerdings weniger an ihrer Fremdartigkeit oder ihren Wehwehchen, sondern eher darin begründet, dass sie in puncto Figurenmotivation viel zu wenig zu bieten haben. S'syrixx' völlig aus der Luft gegriffener plötzlicher Gottglauben (vgl. S. 346) wird in seiner Unnachvollziehbarkeit nur noch durch den erschreckend häufigen Wechsel seiner Kooperationen und ständigen Insubordinationen übertroffen (vgl. S. 85, S. 201ff., S. 422 u.v.m.). Das wechselhafte Verhalten des Erzbösewichts Gog'resssh (vgl. S. 120f., S. 277, S. 308ff. u.v.m.) kann man nicht einmal mehr mit seiner Verstrahlung rechtfertigen; Captain Krassrr handelt krass inkompetent für jemanden in seiner Position (vgl. S. 148, S. 131ff., S. 299ff.) und Z'shezhira präsentiert sich in der entscheidenden Situation einfach nur unfassbar dämlich (vgl. S. 272). Spätestens ab der Mitte des Buches verliert es dadurch stark an Glaubwürdigkeit, zumal die merkwürdigen Entscheidungen der einzelnen Charaktere zu ebenso merkwürdigen Entwicklungen führen, denen es deutlich an Plausibilität mangelt.
Was aber nicht bedeuten soll, dass lediglich die Gorn die Leidensfähigkeit des Lesers auf die Probe stellen. Aber anstelle der übervorbildlichen Multi-Kulti-Besatzung der USS Titan, die einer meiner Leser nicht ganz zu Unrecht einmal als "Freakshow" bezeichnete, war es in meinen Augen vor allem die Menschen-Frau Christine Vale, die mich besonders störte. Innerhalb dieses Buches nimmt sie nämlich die Position ein, das Geschehen durch vermeintlich witzige (vgl. z.B. S. 445), coole (vgl. z..B. S. 396) oder gar rührselige Sprüche (vgl. z.B. S. 200) zu unterstreichen. Durch diese Dialoganteile verkommt der Posten des ersten Offiziers der Titan immer mehr zu einer Rolle, die dem Helden in Action-Filmen zukommt. Ich für meinen Teil warte nur noch auf ein "Yippieh-Ya-Yeah, Schweinebacke!", wenn die Titan es demnächst mit tellaritischen Separatisten zu tun bekommt.
Der Tiefpunkt war allerdings die völlig absurde Argumentation zur Obersten Direktive (vgl. S. 254ff.). Nur weil ein Volk zur Nutzung von Materie-Antimaterie-Energieerzeugung in der Lage ist, bedeutet das noch lange nicht, dass der Planet sich auch kulturell darauf vorbereitet hat, im Weltall auf fremdes Leben zu stoßen. Nicht umsonst gibt es zu genau dieser Thematik eine TNG-Folge mit dem programmatischen Titel "Der erste Kontakt", die sich der Autor in diesem Zusammenhang besser noch einmal angesehen hätte.
Aber vielleicht ist dieses Versäumnis gar nicht so schlimm, denn es hätte Martin wohl nur dazu animiert, weitere, noch mehr an den Haaren herbeigezogene Rechtfertigungen in sein Werk mitaufzunehmen. Damit hätte er ein ohnehin schon unnötig umfangreiches Buch nur noch weiter gestreckt. Die vielen Längen lassen sich am besten an der Einbindung der Zipf-Verteilungen festmachen (vgl. S. 243ff.), die dem Autoren laut Danksagung besonders am Herzen lag (vgl. S. 478). Die entsprechende Passage hat bei Lichte besehen überhaupt nichts mit dem geschilderten Problem zu tun und liest sich eher wie eine Selbstbeweihräucherung des Autors, der hier dem Leser seinen eigenen Wissensstand unverfroren unter die Nase reibt.
Cross Cult tut schließlich sein Übriges, um den Längen des Werkes Nachdruck zu verleihen. Doch obwohl man sich die überflüssige Crewauflistung (vgl. S. 473ff.) auch getrost hätte sparen können, muss ich zugeben, dass mir Christian Humbergs Erläuterungen zur Konzeptionsgeschichte der Gorn (vgl. S. 481ff) dieses Mal wirklich gut gefielen. Der kurze Abriss war gleichermaßen flott wie unterhaltsam, und auch wenn seine Wortspiele um die Reptilienkrieger vielleicht für einige Geschmäcker zu doof wirken mögen, waren sie in meinen Augen gerade deswegen so sympathisch...

Übersetzung: Viele Köche verderben ja bekanntlich den Brei. Dass es aber auch Ausnahmen von der Regel geben kann, beweisen mit diesem Buch Sabine Elbers und Andrea Bottlinger. Vor allem in Hinblick auf den Umfang des Buches war die Aufteilung sicherlich eine probate Lösung. Besonders die Formulierung "Schiwe sitzen" (vgl. S. 200), die ich mir erst einmal ergooglen musste, fand ich in diesem Zusammenhang eine gelungene Übertragung von "to sit shiva", auch wenn diese jiddische Redewendung heutzutage nicht mehr allzu gebräuchlich sein mag.
Natürlich bedeutet die Zweiteilung längst noch nicht, dass das Buch frei von Fehlern ist. Kleinere Fehler mit Absätzen (vgl. S. 351) oder Kommata (vgl. S. 397) bleiben ebenso wenig aus, wie die Verwendung von "abfeuert" (S. 392), obwohl ein "feuert" völlig ausreichend gewesen wäre. Oder die fragwürdige Verwendung von "damit" (vgl. S. 383). Oder aber auch die Bezeichnung "Materiedisintegrator" (S. 382), die dem deutschsprachigen Verb "desintegrieren" unsinnigerweise die Stirn bietet. Und auch wenn ich ansonsten eigentlich ein Freund umgangssprachlicher Formulierungen bin, fand ich den Rückgriff auf "angepissten" (S. 199) etwas unangemessen.
Seit der zweiten TNG-Folge "Gedankengift" weiß man dank Datas Ausführungen ferner, dass Personen aus einem Schiff oder einer Luftschleuse nicht "hinausgesaugt" (vgl. S. 123), sondern viel eher "hinausgeblasen" werden (zumal im englischen Original ebenfalls von "blast" die Rede ist).
Zudem habe ich immer mehr dass Gefühl, dass sich Cross Cult an Heyne ein schlechtes Beispiel nimmt und sich einen Grundstock an eigenen Begrifflichkeiten aufbaut, die der deutschen Fernsehübersetzung widersprechen. Obwohl die für das Buch maßgeblichen Episode "Ganz neue Dimensionen" Teil einer Serie ist, in der konsequent vom "Fähnrich" statt vom "Ensign" (vgl. z.B. S. 44) gesprochen wird und auch die Trennsegmente auf Raumschiffe statt "Schotten" (vgl. S. 68 und S. 214) meist als "Schotts" bezeichnet werden, stellt sich der Verlag der Synchronisationsrealität tapfer entgegen (die Verwendung von "Datentafel" auf S. 327 statt des "PADD"s kann man hingegen geflissentlich unter den Tisch fallen lassen, sofern sie nicht zur Gewohnheit wird). Aber auch einen anderen Trend finde ich zunehmend bedenklich: Die verstärkte Anglisierung.
Obgleich im Buch durchgängig vom "Typhon-Pakt" gesprochen wird (vgl. z.B. S. 83, S. 118, S. 464 u.v.m.), prangt auf dem Buchcover die Bezeichnung "Typhon Pact", obwohl lautlich kaum Unterschiede bestehen. Wahrscheinlich denkt man sich noch immer, dass englisch belassene Begrifflichkeiten wie "Ensign", "Pact" oder "Moiety" (S. 383) mehr Pepp haben als ihre lahmen deutschen Äquivalente. Warum dann der poetisch-schöne englische Titel "Seize the Fire" zu einem schmucklosen "Feuer" verstümmelt wurde, verschließt sich allerdings meinem Verständnis.
Und wo wir schon dabei sind: Ein Adjektiv namens "gornisch" (S. 97) hat es bei Star Trek bis dato noch nicht gegeben. Nicht, dass ich die Verwendung eines passenden Adjektives per se unangemessen finden würde, doch wenn man zu so einem Schritt bereit ist, sollte man auch ein Adjektiv wie "gnalish" (S. 331 oder S. 422) mit einem zusätzlichen 'c' ausstatten. Oder anders ausgedrückt:
Wer 'gornisch' sagt, muss auch 'gnalisch' sagen!

Anachronismen: Wie zitiert Christian Humberg den Autor Michael A. Martin auf Seite 485 so schön?

"Die Lizenz gehört ihnen, also ist ihre Entscheidung die entscheidende, nicht die des Autors."

Unfreiwillig exemplarisch kann man diesen O-Ton auch auf den offiziellen Kanon anwenden, der Martins Werk erst vor kurzem mit brachialer Gewalt rücksichtslos überrollt hat. Des Steins des Anstoßes ist sich Humberg auf Seite 483 selbst sogar bewusst:

"Ein zweiter Fall interdimensionalen Namedroppings liegt bei STAR TREK INTO DARKNESS vor, J.J. Abrams' zweitem Beitrag zum STAR-TREK-Franchise. In diesem 2013 gestarteten Film, der die Abenteuer der Classic-Besatzung eines weiteren Paralleluniversums schildert, erwähnt Dr. Leonard H. 'Pille' McCoy, er habe bei einer Kaiserschnittgeburt von acht Gorn helfen müssen - 'und diese kleinen Bastarde beißen!'"

Damit wird der entscheidende Anachronismus, der den gesamten Buchinhalt mit sich in den Abgrund reißt, gleich im Buch mitgeliefert.
Denn die achtlos in den Raum geworfene Randbemerkung der fahrlässigen Drehbuchschreiberlinge klassifiziert die Gorn zu einer lebend gebärenden Spezies und für ein Buch, dessen Geschichte vollständig auf der Zerstörung von lebenswichtigen Ei-Ablage-Gründen der Gorn fußt, bedeutet es unweigerlich den Todesstoß. Wozu ein Werk lesen, dessen Inhalt dem offiziellen Kanon widerspricht?
Oft ernte ich Unverständnis dafür, ältere Bücher nach neueren Standards zu bewerten. Aber genau das war einer der Beweggründe zur Eröffnung dieses Blogs. Schließlich ist der offizielle Kanon mehr als nur ein Bewertungsmaßstab (der sich außerdem nicht ohne weiteres von der Hand weisen lässt). Er ist ein Fahrplan für zukünftige Entwicklungen innerhalb der Franchise. Gerade für die vielen detailversessenen Fans (wie mich) bildet er den roten Faden, der die Rahmenbedingungen ganzer Universen festlegt.
Damit befinde ich mich aber auch oft im gleichen Dilemma:
Martins Beschreibungen der Gorn-Brutstätten sind in meinen Augen nämlich viel glaubwürdiger als die gedankenlose Dialogzeile aus dem zwölften Kinofilm. Allein schon die Tatsache, externe Faktoren bei der Nachkommenschaft verschiedener Kasten miteinzuplanen (schon allein Temperaturen können bei manchen Reptilien unseres Planeten über das Geschlecht entscheiden), fand ich vergleichsweise schlüssiger und das Konstrukt, dass Martin darum errichtete, war der beste Grund, das Buch überhaupt zu lesen.
Aber auch wenn das eher meine Wut gegen die absolut unnötige Behauptung in "Into Darkness" verstärkt, behalten Martins eigene Worte ihre Gültigkeit:
Die Lizenz gehört denen, die solchen Unsinn verzapfen, und nicht den ungleich kreativeren Autoren.

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'gornische Überraschungseier'
Fazit: Der erste deutschsprachige Soloroman aus der Feder Michael Martins ist keineswegs ein Typhon-Pact-Roman. Viel eher handelt es sich bei "Feuer" um einen weiteren Titan-Band, in dem einem Mitglied der Anti-Föderation etwas mehr Raum geboten wurde. Doch als ob Martin mit der Figurenmotivation, dem Umfang oder der Nachvollziehbarkeit nicht schon genug Krisenherde zu bewältigen hätte, versetzt ihm der zwölfte Kinofilm den ultimativen Todesstoß. Mit einer einzigen flapsigen Bemerkung über Entbindungspraktiken der Gorn verurteilt die Schreiberriege J.J. Abrams' das Werk zur Bedeutungslosigkeit und stellt damit den einzigen größeren Pluspunkt des Werkes in Abrede. Schade eigentlich!

Denkwürdige Zitate:

"Quäle dich nicht, mein Freund. So ist es nun einmal im Universum, der Prozess ist so alt wie das Leben selbst. Es gibt immer Gewinner und Verlierer. Jäger und Beute. Fressen oder gefressen werden."
"Dann ist Überleben also ein Nullsummenspiel?"
"Meiner Erfahrung nach ist das für gewöhnlich so."
R'rerrgran und S'syrixx, S. 70

"Ich glaube, das Universum hat uns gerade einen dieser sprichwörtlichen 'Hasen in letzter Sekunde' gewährt."
Deanna Troi, S. 99

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"Ich glaube, ich sollte Sie warnen, Captain. Sie zeigen gerade einen Reflex, den ich bei Angehörigen der Sternenflotte schon sehr oft beobachten konnte."
"Was für ein Reflex soll das sein?"
"Der tief verwurzelte reflexartig auftretende Glaube, jeden im Universum retten zu können. Und gleichsam der Irrglaube, es tun zu müssen."
Dr. Shenti Yisec Eres Ree und William T. Riker, S. 198f.

"Ist das Befolgen der Obersten Direktive in diesem Fall nicht ähnlich absurd wie sich über den Natriumgehalt in einer Henkersmahlzeit Gedanken zu machen?"
Evesh, S. 240

"Ich bin empathisch, Chris. Nicht allwissend."
Troi, S. 325

"Bringen Sie mich zu Ihrem Anführer."
Christine Vale, S. 330

Bewertung: Jüngstes Opfer des offiziellen Kanons.

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Weiterführende Leseliste:

Typhon Pact 01: Nullsummenspiel
Typhon Pact 02: Feuer

2 Kommentare:

  1. Interessanter Mittelteil, aber zähflüssig und unnötig aufgeblassener Roman. Empfand kein Feuer beim Lesen.

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  2. Meine Meinung: Zur Hölle mit dem "Kanon"! Die Star-Trek-Filmproduzenten haben sich auch nie um ihn geschert und Widersprüche achselzuckend quittiert. Warum sollten sich ausgerechnet die Roman-Auroren darum scheren?! Insbesondere wenn ihre Ideen origineller sind und von mehr Kreativtalent zeugen?

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