Dienstag, 26. Oktober 2010

Corona

Buchbesprechung Bear, Greg: Corona. Heyne, 1984/1988.

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Story: Die USS Enterprise NCC-1701 folgt einem zehn Jahre alten Notruf zu einem entlegenen Forschungsposten. Captain Kirk, Spock und Pille gehen von vielen Opfern aus, doch umso größer ist die Verwirrung, als sie die Leiter der Einrichtung bei bester Gesundheit und völlig in eines ihrer Projekte vertieft vorfinden.
Nähere Untersuchungen lassen die Offiziere dann schnell stutzig werden, denn es wird schnell klar, dass das vulkanische Forscherehepaar und ihre Kinder irgendetwas verbergen und die Rettung der im Kälteschlaf befindlichen restlichen Forscher absichtlich behindern.
Erst spät, nahezu zu spät, finden die Crewmitglieder endlich heraus, dass ein fremdes, körperloses Wesen den Willen des Stationspersonals kontrolliert und seine Fühler auch nach der Enterprise und seiner Mannschaft ausstreckt. Es verfolgt einen teuflischen Plan, der die Existenz des Universums, wie wir es kennen, beendet und in einen Zustand zurückführt, der kurz nach dem Urknall herrschte.
Die Arbeiten an einer Apparatur zur Auslöschung des Universums sind nahezu abgeschlossen und Captain Kirk muss hilflos mitansehen, wie die Galaxis sich langsam aufzulösen beginnt...

Lobenswerte Aspekte: Das schillerndste am „Corona“ genannten Roman ist ohne Frage sein Autor, Greg Dale Bear. Unter den geneigten Freunden der Science-Fiction ist der Mann kein Unbekannter, denn er ist nicht nur der Schwiegersohn der Schreiberlegende Poul Anderson, sondern hat sich längst mit Romanen wie „Das Darwin-Virus“, „Die Stadt am Rand der Zeit“ oder „Stimmen“ ein Renommee erworben, dass ihn bei früheren Familienfesten einen komfortablen Sitzplatz am Familientisch in Sichtweite des Familienpatrons garantierte.
So verwundert es auch nicht, dass Bear die Auszeichnungen des Genres nur so hinterhergeworfen wurden. Ja selbst Doris Lessing, die Literatur-Nobelpreisträgerin von 2007 und Tante Gregor Gysis verbriefte ihre offene Begeisterung für den Autoren und sein Werk:

Ich bewundere auch die klassische Science Fiction, wie ‚Blutmusik’ von Greg Bear. Er ist ein großartiger Schriftsteller.
(frei übersetztes Zitat aus dem englischsprachigen Wikipedia-Beitrag entnommen)

Dass er für einen (einzigen) Star-Trek-Roman herangezogen wurde, verwundert nicht, denn 1984 war der spätere Erfolg von Star-Trek-Romanen längst nicht abzusehen. Dem fünfzehnten überhaupt erschienenen Buch mit einem profitablen Gastschreiber höhere Verkaufszahlen zu bescheren ist ein alter Hut und das Bears Anschrift dafür genau die richtige Adresse zu sein scheint, beweist sein ähnlich umfangreiches Engagement bei Star Wars, Halo und den Ringwelt-Romanen (denen Star Trek die Spezies der Kzinti verdankt).
Durch Bears langjährige Tätigkeit als Autor verschiedener ‚Zukunftsromane’ erklärt sich auch das häufige Technobabbel in diesem Buch. Der Autor versuchte nämlich, die eigenen, durch seine Arbeit gewonnenen Vorstellungen auf das Star-Trek-Universum zu projizieren. Natürlich liest sich das für den heutigen Leser, für den die Regeln des Warpfluges nach sechs Serien und elf Filmen deutliche Konturen gewonnen haben, etwas kryptisch, doch in der Pionierzeit der Star-Trek-Romane mussten sich die Bücher oft mit den Erzeugnissen anderer Autoren messen lassen.
Schließlich war es Isaac Asimov, sozusagen der Prophet der Science-Fiction-Literatur, der Star Trek als ernstzunehmenden Teil des Genres etablierte, denn laut eigener Aussage war

Star Trek … das anspruchsvollste Beispiel für Science Fiction im Fernsehen.
frei übersetztes Zitat entnommen aus Starlog, Ausgabe Nr. 02, 1976, aus dem Artikel „Gene Roddenberry Article from Starlog #2“ des sehr sehenswerten Blogs „My Star Trek Scrapbook

Erst später drifteten das vergleichsweise starre Star-Trek-Universum und die verschiedenen unabhängigen Science-Fiction-Welten so weit auseinander, dass eine Gastautorenschaft wie diese kaum mehr möglich war. Umso bemerkenswerter, dass es dem Überraschungsstar hier und da gelingt, mal eine etwas andere Perspektive miteinzubringen.
Beispielsweise stellt die Abstraktheit des Freiheitsbegriffes für ein nicht-humanoides Wesen eine recht ansehnliche Metaebene dar, die nur selten in Episoden oder Filmen Beachtung findet, obgleich sie nicht einer gewissen Logik entbehrt:
Woher soll denn ein Wesen, das nie in einer ausgeformten Gesellschaft lebte, diesen recht theoretischen Terminus kennen?
Daneben füllt Bear auch Lücken aus, die sich dem Verständnis bislang entzogen hatten. So erklärt er so einfach wie genial, warum vorrangig Menschen auf der USS Enterprise ihren Dienst verrichten (vgl. S. 10).

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Corona - Wer hat's erfunden?

Kritikwürdige Aspekte: Die Verwirrung beginnt bereits im Titel. Was ist eigentlich ein Corona?
Natürlich kann man dem Namen nach jenem aus Mexiko importierten Bier die Schuld für die 224 Seiten in die Schuhe schieben. Schon schwieriger wird es beim polnischen Fußballverein aus Kielce oder gar dem Toyota-Modell aus den Achtzigern.
Wer hingegen von Anfang an an die äußerste Sphärenschicht der Sonne gedacht hat, mag sich vielleicht im Recht fühlen, liegt aber dennoch daneben, denn die Bezeichnung soll in Wirklichkeit eine fremdartige, nicht-humanoide Spezies beschreiben, um die sich die schwach gestrickte Story dreht.
An sich ist 'Leben in anderen Erscheinungsformen' ja ein interessantes Thema, doch es wurde bereits im Verlauf der klassischen Serie quantitativ ausreichend und qualitativ besser behandelt. In der hier präsentierten Form vermag es keine Sekunde zu überzeugen, zu fesseln oder überhaupt in irgendeiner Form Interesse zu wecken. Es hinkt bei aller Expertise des Autors in Sachen Science Fiction schlichtweg dem Standard hinterher, den die Fernsehserie bereits in den Sechzigern gesetzt hat.
Allem Anschein nach hat sich Bear nur halbherzig mit der Vorlage auseinandergesetzt, denn diese Unzulänglichkeiten setzen sich bei den Charakteren fort. Das Triumvirat aus Kirk, Spock und Pille zeigt bestenfalls oberflächliche Ähnlichkeit mit den Vorbildern aus dem Fernsehen und auch den Nebencharakteren wird kein zusätzlicher Spielraum zur Entfaltung zuteil.
Im Vergleich dazu vermochten lediglich die Nebenfiguren noch schlechter abzuschneiden.
An erster Stelle wäre dabei sicherlich die Pressevertreterin Rowena Mason zu nennen. Dabei ist noch nicht einmal ihr Beruf, ihr Geschlecht oder ihr Alter das Problem, sondern die Tatsache, dass sie sich mehr oder weniger (eher mehr) als verkappter Weltraum-Nazi entpuppte. Ihr anerzogener Rassismus wirkt so anachronistisch in einer Mitgliedswelt der Föderation, und einer Zeit, in der Terra Prime längst der Vergangenheit angehören sollte, dass man sich förmlich mit der Nase darauf gestoßen fühlt, hier eher ein aktuelles tagespolitisches Thema vorgesetzt bekommen zu haben. Daher hoffe ich wirklich inständig, das die letztendliche Bekehrung der Reporterin und ihre Überwindung der eigenen Vorurteile keine schlecht getarnte Parabel auf die damals langsam in den USA einsetzende gesellschaftliche Aufhebung der Rassendiskriminierung oder die Apartheid in Südafrika sein soll.
Nur unwesentlich angenehmer liest sich die Figur des Computerexperten Veblen, denn hinter dem harmlos anmutenden Namen verbirgt sich ein schlecht getarntes Abbild des 'Nerds' im klassischen Sinne. Es handelt sich nämlich um „[...] einen kleinen und dicklichen Mann […], dessen Äußeres ferner durch eine „große Knollennase“ und „schräge Augen“ bestimmt wird (vgl. S. 24). Er arbeitet in einem fensterlosen Raum tief im Inneren des Schiffes und verbringt seine Zeit mit der Wartung und Überwachung von Rechnern.
Soviel zum Klischee – aber natürlich wäre die Zukunft nicht so rosig, wenn der vermeintliche Außenseiter nicht doch noch ein ach so tolles Mitglied der ach so tollen Besatzung eines ach so tollen Schiffes werden würde.
Friede, Freude, Eierkuchen!
Das hässliche Entlein wird zu einem prächtigen Schwan und der Nerd-Leser kann sich im Wohlgefühl sonnen, doch keine unnütze Existenz oder Schattenprodukt der Gesellschaft zu sein. Da fragt man sich schon ab und zu, für was Bear die Zielgruppe seiner Romane hält.
Während man den 'Nerd' als solchen problemlos erkennen kann, gestaltet sich die Identifikation der Vulkanier als ungleich schwieriger, wobei dies nicht allein auf die paar wenigen grünblütigen Figuren beschränkt bleibt, sondern gleich die gesamte Spezies betrifft.
Das fängt bereits an der Haustür an.
Als Heimatsystem der spitzohrigen Föderationsmitglieder wird nämlich Epsilon Eridani (vgl. S. 217) genannt. Das ist nicht abwegig, denn das System, auch als 18 Eridani bezeichnet, liegt lediglich 10,5 Lichtjahre von unserem eigenen entfernt – also in einer Entfernung, die neugierige Besuche von Forschungsteams wie in Star Trek VIII rechtfertigt.
Allerdings haben einflussreiche Stimmen wie Gene Roddenberry (der Erfinder Star Treks), James Blish (der erste Star-Trek-Autor) oder Diane Duane (die Autorin des maßgeblichen Werkes 'Spocks Welt') Vulkan durch die Bank weg im ähnlich klingenden System 40 Eridani verortet, was auch besser zur Aussage in der Enterprise-Episode „Zuhause“ passt, nach der die Distanz zur Erde 16 Lichtjahre betragen soll.
Nun kann es natürlich im Eifer des Gefechts durchaus geschehen, dass man mal 18 Eridani mit 40 Eridani verwechselt. Aber Menschen mit Vulkaniern?
Den Beschreibungen des Autors zufolge waren Menschen nämlich eher in der Lage, sich der psionischen Einflussnahme Coronas zu entziehen, als die Vulkanier, die immerhin über ausgefeilte Mentaltechniken und -anlagen verfügen, um sich gegen fremde Geisteseinwirkung zu schützen, wie man etwa in in den TOS-Episoden „Spock außer Kontrolle“ und „Wildwest im Weltall“, sowie im Voyager-Zweiteiler „Arbeiterschaft“ sehen kann. Hier steht das Universum jedoch auf dem Kopf. Vulkanier vermögen es nicht, dem Corona-Wesen zu widerstehen, während die meisten Menschen immun gegen die Bemühungen des übermächtigen Wesens sind, Zugang zu deren Bewusstsein zu erhalten.
Vulkanier wirken dadurch im direkten Vergleich unterlegen – ein Schluss, der sich nicht mit den Aussagen der klassischen Serie decken kann.
Weit aus dem Fenster lehnt sich Bear schließlich mit Beschreibungen spezifischer vulkanischer Rituale. Die Behauptung, dass ein paar Vulkanier-Kinder Spock ihren Respekt dadurch zeigen, dass sie ihm die Hände waschen (vgl. S. 216) ist nicht minder lachhaft als der alternative vulkanische Gruß (vgl. S. 217), mit dem sich die Anverwandte Spocks von selbigem verabschiedet.

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Fingergewandte Spitzohren: Der geheime vulkanische Freimaurer-Gruß

Übersetzung: Man merkt diesem Roman nur allzu deutlich an, dass er zu den Frühwerken der Übersetzungsversuche aus dem Heyne-Verlag gehört.
Zum einen trifft man unbeholfene alte Bekannte wie „Starfleet“ (S. 14) statt 'Sternenflotte', „Starbase“ (S. 14) statt 'Sternenbasis' oder „Diskus“ (S. 48) statt 'Untertassensektion' wieder, aber man kann auch auf alte Unbekannte wie „Gleitpalette“ (S. 107) statt 'Antischwerkraftlift', „Flugboot“ (S. 122) statt 'Shuttle' oder „Dockdüsen“ (S. 137) statt 'Manövrierdüsen' stoßen.
Recht verwirrend ist die Bezeichnung „Andoraner“ (S. 10), oder wie es ab Seite 21 heißt: „Andorraner“.
Damit sind allerdings mitnichten Einwohner eines europäischen Kleinststaates in den Pyrenäen gemeint, sondern tatsächlich 'Andorianer'.
Hier muss ich allerdings zugeben, dass die Spezies bereits in der deutschen Synchronisation der TOS-Folge „Reise nach Babel“ mit jenem Makel belegt wurde. Zwar wurde ihr Name im Gegensatz zu 'Telluriern' und 'Romulaniern' ausnahmsweise korrekt ausgesprochen, doch laut Kirk soll die Heimat der Blauhäute demnach 'Andorra' heißen. Die Bewohner dieses Planeten als 'Andorraner' zu bezeichnen, ist also nur folgerichtig, selbst wenn oft genug die Bezeichnung 'Andorianer' fällt, um es besser zu wissen.
Allerdings wäre eine einheitliche Schreibweise der Spezies – egal in welcher Form - sicherlich keine zu hoch gegriffene Forderung gewesen.
Ähnliche Unstimmigkeit herrscht bei den an George Orwells Meisterwerk '1984' erinnernden Überwachungsgeräten, die hier den völlig falschen Plural „Monitoren“ (ab S. 25) auferlegt bekommen. Hat man sich erst einmal daran gewöhnt, schwenkt das Buch plötzlich wieder um, und bildet die korrekte Form „Monitore“ (S. 200).
Als besonders hartnäckig erweisen sich zudem wieder einmal das altbekannte Problem der deplatzierten Präfixe. Während man über die einmalige Erwähnung der „Ergschilde“ (S. 97) noch getrost hinwegsehen kann, zerrt eine andere Vorsilbe an der dünnen Nervendecke.
Diesmal jedoch heißt sie nicht „Medo-“, sondern schlicht „Med-“; also friert man sich in „Medjacken“ (S. 90) zu Tode, schiebt „Medakten“ (S. 97) in den Schredder oder erfreut sich an der spärlichen Ausstattung eines „Medzentrums“ (S. 130) des 23. Jahrhunderts!
Natürlich ist es schön, dass ein Präfix verwendet wird, wie er mit 'Medkit' in die deutsche Synchronisation Star Treks geraten ist. Damit wurde allerdings kein Freibrief dafür ausgestellt, wirklich jedes auch noch so geringfügig mit Medizin verbundene Objekt eigenmächtig durch „Med-“ zu verunstalten. Da wünscht man sich ja fast „Medo-“ zurück! Aber nur fast, denn auch wenn es mit einem zusätzlichen 'o' etwas besser klingt, bleibt der Sachverhalt als solcher unsinnig.
Obwohl es nicht so ganz unter die Überschrift 'Übersetzung' passen mag, muss ich auch bemängeln, dass das Cover wirklich überhaupt nichts mit dem Inhalt des Buches zu tun hat.
Darüber hinaus ist es sogar das selbe, das auch „McCoys Träume“ ziert und schon dort völlig fehl am Platz wirkte. Warum die Verantwortlichen bei Heyne das eigentlich für dieses Buch angedachte Cover an „Meuterei auf der Enterprise“ verschoben, wo es genauso wenig Sinn macht, wird wohl ein Geheimnis bleiben.
Aber was schimpfe ich überhaupt?
So ein Lektor, Übersetzer, Covergestalter oder Herausgeber ist auch nur ein Mensch, oder wie ich nach der Lektüre dieses Übertragungsversuches weiß:
Ein „Invidumm“ (S. 150).

Anachronismen: Bei einem so früh (1984) erschienenen Buch liegt es nahe, dass sein Inhalt über kurz oder lang vom Kanon später folgender Filme und Serien eingeholt wird.
Diesem Buch geht es nicht anders, doch für einen Moment muss ich mich schützend davor stellen.
Die erwähnte Geschwindigkeit von Warp elf (vgl. S. 30) geht nämlich schon in Ordnung, denn die meisten Trekkies wissen spätestens seit Folgen wie „Stein und Staub“ oder „Ich heiße Nomad“, dass zu TOS-Zeiten eine andere Warpskala verwendet wurde, als bei TNG (ein kleiner, nicht ernst gemeinter und eher kollegialer Seitenhieb auf die überaus lesenswerte Rezension von Ameise).
Dann schimpfe ich schon lieber über die anhaltende Verwendung von Geld als Zahlungsmittel (vgl. z.B. S. 11, S. 27, S. 63 u.v.m.).
Merkwürdig muten allerdings die kleinen Hinweise an, die zur zeitlichen Einordnung gegeben werden. McCoys Aussage, zehn Jahre seien „[...] die längste bisher bekannte Hibernationsphase“ (S. 103) legt nahe, dass die Ereignisse vor der Episode „Der schlafende Tiger“ stattfanden.
Die Angabe, dass Kirk 45 Lenzen zählen soll (vgl. S. 23), versetzt die Handlung zwischen den ersten und den zweiten Kinofilm, während Spocks Alter von 79 Jahren auf eine Zeit weit nach dem „Treffen der Generationen“, und damit dem Abbleben Kirks verweist.
Kurz gesagt: Kompletter Unfug.
Aber kaum jemand wird sich überhaupt die Mühe machen, die Unsinnigkeit dieser Zeitangaben überhaupt noch zu beachten, wenn bereits auf Seite neun zu lesen ist, dass die USS Enterprise das erste große Raumschiff sein soll, „[...] das mit einem Warpantrieb ausgestattet worden war.“ Diese tollkühne Behauptung beißt sich eigentlich mit so ziemlich allem, was zu dieser Zeit bereits in TOS („Metamorphose“) oder TAS („Die Zeitfalle“) zur Thematik bemerkt wurde.
Zudem tappst Autor Greg Bear in ein Fettnäpfen, das Ira Graves in der TNG-Folge „Das fremde Gedächtnis“ auf unterhaltsamere Weise zu nutzen verstand:
Er gibt zu Protokoll, dass Vulkanier, Romulaner und Klingonen miteinander verwandt wären (vgl. S. 62) - wenn Worf das hören würde!
Der 'Großvater' Datas bietet ferner eine wunderbare Überleitung zu den fehleingeschätzten technischen Möglichkeiten, die Bear der TOS-Ära zuschreibt.
So ist der erwähnte Robosteward (vgl. S. 23) zwar im Hinblick auf Androiden wie Ruk, Rayna Kapec oder Norman nachvollziehbar, doch wie ein Blick ins nächste Jahrhundert verrät, ist die Menschheit noch meilenweit davon entfernt, Androiden wie Data zu produzieren (vgl. „Wem gehört Data?“).
Damit aber nicht genug. Ein „[...] winziges Implantat im Halsansatz [...]“ Kirks soll nicht nur dafür sorgen, dass simultan fremde Sprachen übersetzt werden, sondern dient auch dem mentalen Empfang von Hochgeschwindigkeits-Datentransfers (vgl. S. 28). Futuristischer Unsinn, dem in der bereits erwähnten Episode „Metamorphosen“ durch die Existenz eines technischen Gerätes namens Universalübersetzer das Wasser abgegraben wurde. Außerdem wirft es die Frage in den Raum, warum man dem Corona-Wesen nicht mit technischen Mitteln beizukommen versuchte, wenn man schon im Besitz solcher Technologie war.
Auch die Anachronismen gehen größtenteils auf fehlende Kenntnis der Originalserie zurück und hätten verhindert werden können, wenn sich Bear ernsthaft mit dem auseinander gesetzt hätte, was es bereits 1984 an Star-Trek-Folgen und -Filmen gab.
Allein dadurch hätten Fehler wie die Ansprache von weiblichen Crewmitgliedern als 'Mister' (vgl. S. 10) verhindert werden können, die es bereits damals in noch keiner Serie und noch keinem Film zu hören waren.

Fazit: Häufig wird in Hollywood versucht, ein schlechtes Drehbuch durch massive Starpräsenz wettzumachen. Das funktioniert allerdings höchst selten und endet zumeist in einem Produkt, dass den Aufwand nicht rechtfertigt.
Ähnlich verhält es sich mit diesem Buch. Gastschreiber Greg Bear vermag es nicht, dem Pool an zuvor erschienenen Werken ein spannendes, ansprechendes oder gar anspruchsvolles Werk beizusteuern.
Im Gegenteil: Corona ist eines der schwächsten Bücher unter den Star-Trek-Romanen überhaupt. Der Grund dafür liegt tragischerweise beim Autor selbst, denn er versäumte es, sich angemessen mit der Vorlage auseinanderzusetzen und Figuren, Umfeld und Rahmen in ihrem Wesen zu erfassen.

Denkwürdige Zitate:

Maschinenraum.
Hier Mr. Scott, Captain.
Können wir die Segel setzen und in See stechen?
Die Kessel haben Druck, Sir.
Dann geben Sie Dampf, Mr. Scott.
Aye, Sir. Es kann losgehen.
Kirk und Scotty, S. 41

Nein. Außerdem lasse ich mich nicht mit dem ersten Team herunterbeamen. Starfleet hält nichts von Raumschiff-Kommandanten, die unnötige Risiken eingehen.
Kirk (aus einem Paralleluniversum?), S. 77/78

Lieber Himmel! Langsam wird mir dieser große und spitzohrige Typ aus Eis auch noch sympathisch!
McCoy, S. 109

Wenn das Militär mit seiner Weisheit am Ende ist, müssen wir Zivilisten weiter helfen.
Mason, S. 218

Bewertung: Unnötiger Gastauftritt.

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3 Kommentare:

  1. Hallo Turon,

    ich gebe es zu: Die Sache mit der anderen Warpskala zu TOS-Zeiten ist mir überhaupt nicht aufgefallen. Aber auch, wenn der Autor die Enterprise nicht mit Warp 11 herumfliegen ließe, ändert das nichts an der Tatsache, dass dieses Buch für mich bisher der schrecklichste Star Trek-Roman überhaupt ist, da kommt nicht mal das legendäre "Gespensterschiff" mit. "Corona" ist vor allem eins: langweilig hoch zehn. Ich brauchte acht Tage, um dieses dünne Buch zu lesen! Ich muss schon sagen, dass ich mich über die Benotung freue... ;-)

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  2. Moin Ameise,

    Auch ich musste mich durch die viel zu vielen Seiten dieses Buches quälen und sandte ein Stoßgebet gen Himmel (in dem ein fliegendes Spagheettimonster sein Unwesen treibt), als ich endlich durch war.
    Mehr als den einen Punkt hat dieses Werk wirklichj nicht verdient, aber dennoch würde ich es nicht gleich als das schrecklichste aller Bücher bezeichnen, denn die Qualitätsfreiheit von Blüten wie "Was kostet dieser Planet?", "Meuterei auf der Enterprise" oder "Das Klingon"-Gambit" vermag es nicht ganz zu erreichen...

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  3. Hi!
    Mir hat der Roman durchweg gut bis sehr gut gefallen, wenngleich Deine Aufdeckung der Anachronismen und Fehler natürlich nicht zu leugnen sind.
    Dennoch hat mir das Buch viel Spaß gemacht, da es sich in seiner Entwicklung Zeit lässt und somit auch recht viel Atmosphäre aufbaut.
    Die Verhältnisse auf der Raumstation sowie der Erst-Kontakt mit den "übernommenen" Vulkaniern hat mir wirklich gut gefallen und regte zumindest mich – ob der Spannung - zum Weiterlesen an.
    Im Gegensatz zu Dir fand ich auch die Charakterisierung der Hauptfiguren nicht so schlecht.
    Bis auf McCoy dessen Beschreibung als "verkappter" Romantiker mir dann doch zu weit ging.
    Egal! Ich finde die Interpretationen eines Serienstoffes durch einen eher unerfahrenen Autoren durchaus erbaulich und streckenweise sogar ganz lustig b.z.w. interessant.
    Wie dem auch sei: "Corona" ist der erste Star-Trek-Roman seit vielen Jahren den ich gelesen habe und es wird nicht der letzte sein!

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