Freitag, 3. September 2010

Die Tochter des Captain

Buchbesprechung David, Peter: Die Tochter des Captain. Heyne, 1995/1998.

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Story: Irgendwie hat es der legendäre Raumschiffkapitän Hikaru Sulu trotz der riesigen Distanz von mehreren Lichtjahren bereits geahnt: Seine einzige Tochter Demora fand bei einer Außenmission einen tragischen Tod.
Und so treffen sich alle Freunde und Kollegen zur Trauerfeier auf der Erde wieder. Unter den Trauergästen finden sich neben dem Erzeuger auch erlesene Namen wie Chekov, Uhura und Harriman. Besonders der Captain ist ob des nächsten Todes unter seinem Kommando innerlich zerissen. Nachdem er bereits wegen Ablebens der Sternenflottenikone James T. Kirk extreme Schuldgefühle hegt, wirft ihn der Tod seiner Steuerfrau weiter aus dem Ruder, zumal er gezwungen war, die urplötzlich verrückt gewordene Frau eigenhändig zu erschießen.
Zumindest steht er mit den an sich selbst gerichteten Vorwürfen nicht allein da. Demoras Patenonkel Pavel Chekov sorgt für einen Eklat, als er kurz nach der Beerdigung handgreiflich wird, und den jungen Captain niederschlägt.
Das kann den Tod seines Patenkindes kaum wieder wettmachen. Über den Tatort wurde eine Quarantäne verhängt und bis endlich ein Schiff nähere Untersuchungen einzuleiten vermag, könnten noch Jahre vergehen.
Aus diesem Grund entschließt sich Captain Sulu, eine Untersuchung auf eigene Faust zu unternehmen. Entgegen dem ausdrücklichen Befehl seiner Vorgesetzten lässt er Kurs auf Askalon V setzen, um auf eigene Verantwortung die genaueren Begleitumstände des mysteriösen Unfalls zu untersuchen. Als er den wahren Umständen endlich gewahr wird, sieht er sich von Geistern aus seiner Vergangenheit eingeholt..-.

Lobenswerte Aspekte: Schon im Aufbau dieses Werkes macht sich die akribische Arbeit des verdienten Star-Trek-Autoren Peter David bemerkbar. Dass er unter den Schreiberlingen seiner Generation einen der ersten, wenn nicht sogar den ersten Platz einnimmt ist wohlverdient und beginnt bereits in der logischen Unterteilung des Buches in fünf Teile: „Erster Teil – Tod“, „Zweiter Teil - Begegnung“, „Dritter Teil - Trauer“ , „Vierter Teil – Vaterschaft“ und „Fünfter Teil – Leben nach dem Tod“.
Was nach klassischen Fünfakter klingt, beherbergt in Wirklichkeit ein komplexes Geflecht aus Handlungssträngen auf verschiedenen Zeitebenen. David zäumt dabei das Pferd von hinten auf; beginnend mit dem Tod Demoras klärt er kurz darauf die Umstände ihrer Zeugung, um anschließend die überraschende Vaterschaft in einen größeren Rahmen einzubetten. Dann springt er in die eigentliche Erzählzeitebene zurück, um die Haupthandlung zu befeuern und in einem neuerlichen Rückblick die Schwierigkeiten zwischen Vater und Tochter zu erläutern. Am Ende steht, ohne zuviel verraten zu wollen, ein klassisches Happy End der alten Schule. Dieses Buch könnte in seinem Aufbau getrost als allgemeingültiges Lehrstück für einen gelungenen Star-Trek-Roman herhalten, denn Davids Arbeit hat jene hohen Standards gesetzt, an denen sich heutige Autoren messen lassen müssen.
Als weiteres klares Indiz für die Arbeit Davids kann das Bestreben gewertet werden, jene Bereiche auszuleuchten, die noch immer im Dunkel des offiziellen Kanons ein tristes Dasein fristen. Bereits in „Imzadi“ rückte er die Anfänge der Beziehung zwischen Deanna Troi und William Riker einfühlsam ins Rampenlicht. Für die Serie „Starfleet Kadetten“ bemühte er sich in den drei Bänden „Worfs erstes Abenteuer“, "Mission auf Dantar" und „Überleben“, Worfs Akademielehrjahre von Fragezeichen zu befreien.
Diesen Trend setzte er in diesem Buch fort und daher stehen in „Die Tochter des Captain“ gleich drei mehr oder weniger bekannte Personen im allgemeinen Aufmerksamkeitsfokus.
Allen voran natürlich Hikaru Sulu – der Captain.
Über das stille Wasser am Steuerpult der Enterprise hat man während der Original-Serie gar nichts, während der Filme kaum etwas und in den Büchern zu wenig erfahren. Es würde also allerhöchste Eisenbahn, dass insbesondere Fragen Beantwortung finden, die sich im Zuge des sechsten und siebenten Kinofilms stellten:
Warum bekommt Sulu erst so spät sein eigenes Kommando?
Wann hatte Sulu die Zeit gefunden, eine Familie zu gründen?
Was hat er vor der Generalüberholung der USS Enterprise NCC-1701 getan?
All diese drängenden Fragen finden hier eine vernünftige, nachvollziehbare und mit den späteren Ereignissen verknüpfbare Lösung und darüber hinaus erhält der Leser zusätzliche Informationen. Etwa, dass der begeisterte Fechter Kandidat für den Posten des ersten Offiziers jener USS Bozeman war (vgl. S. 195), die in einer Zeitschleife verscholl, um schließlich im nächsten Jahrhundert von einer anderen Enterprise befreit zu werden (vgl. „Déjà vu“).
Gut, dass er dieses Angebot nicht wahrnehmen konnte, denn schließlich hat es in den Augen George Takeis und vieler Fans nach dem Kinostart von „Das unentdeckte Land“ und dem späteren Erfolg der Voyager-Episode „Tuvoks Flashback“ nur eine logische Folgeserienidee für Voyager gegeben: Eine Serie um die Abenteuer der USS Excelsior mit ihm selbst in der Hauptrolle. Bei aller Bewunderung für diese bescheidene Haltung wissen wir nun natürlich alle, dass es nicht ganz so gekommen ist, und „Enterprise“ das Kainsmal jener Serie tragen musste, mit der die TV-Existenz des Gene-Roddenberry-Vermächtnisses beendet wurde. So blieb das 'Abenteuer Excelsior' auf das einzige Format begrenzt, dass über genug Flexibilität verfügte, um dem Schiff und vor allem seinem Captain genügend Raum zur Entfaltung zu überlassen: Dem Buch. Doch nicht nur die Excelsior hätte eine eigene Serie verdient, sondern auch das Schiff, auf dem der zweite Hauptperson ihren Dienst verrichtet:
Demora Sulu – Die Tochter des Captain.
Ihr gilt neben Sulu die größte Aufmerksamkeit des Autors, der sich bemüht, auch ihre Geheimnisse zu lüften.
Unter welchen Umständen wurde sie gezeugt?
Woher stammt ihr exotischer Name?
Was passierte vor 12 Jahren, als sich Demora James T. Kirk das letzte Mal begegneten?
Die Beschreibungen um die junge und heranwachsende Halbwaise sind David im übrigen besonders gelungen. Das Spannungsfeld zwischen den Abenteuern, die Sulu nachweislich während dieser Zeit erlebte und den Pflichten eines Vaters gegenüber seiner Tochter gegenüber verleihen der Figur eine neue Tiefe, die in den paar Sekunden Leinwandpräsenz niemals möglich gewesen wäre.
Ähnlichen Platzmangel gab es auch für den in meinen Augen heimlichen Helden des Filmes und gleichzeitige Hauptfigur Nummer drei:
Captain John Harriman.
Über den Captain des dritten, besser wohl vierten Schiffes mit dem Namen Enterprise sind die Meinungen so geteilt wie die koreanische Halbinsel. Also oute ich mich mal wieder!
Ganz persönlich schätze ich die Figur des hilflosen Mannes, der zur falschen Zeit am falschen Ort ist. Jene Figur, die in ihrer Verzweiflung, Unsicherheit und geringen Risikobereitschaft ungleich menschlicher wirkte, als Kirk in seiner Rolle als Geronten-Superman. Fehler gehören eben auch Spiel wenn man auf dem Stuhl dort sitzt! Aus ihnen lernen Menschen für das Leben. Insofern war mir Harriman eine willkommene Abwechslung selbst im Hinblick auf Picard, Sisko oder Janeway, die sich selten oder nie die Blöße gaben, die Kontrolle zu verlieren.
Vielleicht ist es aber auch banaler: Kirk war ein idealtypischer Held, in Harriman konnte man sich selbst wiedererkennen. Ähnlich hat wohl auch Peter David gedacht, denn der frischgebackene Captain der Enterprise bleibt diesem Bild treu und darf im Verlaufe des Romans weiter dazu lernen. Er nutzt die Chance zur persönlichen Entwicklung, und wenn der Vergleich zwischen Harriman und Pike (vgl. S. 17) im ersten Moment auch noch sehr gewagt wirkt, bewahrheitet er sich gegen Ende. Immerhin steht die Entscheidung zwischen familiärem Gehorsam und Eigenverantwortung der Rückkehr Pikes nach Talos IV in puncto Dramatik in nichts nach.
Neben diesem Triumvirat der Hauptcharaktere trifft man mit Janice Rand, Pavel Chekov oder Uhura auf einige andere Charaktere der alten Garde. Weitere (noch geringer ausfallende) Gastauftritte von Captain Bateson (vgl. S. 220ff.), Captain Kirk (S. 238f.) oder McCoy (vgl. S. 193ff.) vermitteln das Gefühl der Vertrautheit.
Für den Faktenfreak sind selbstverständlich auch nähere Examinierung der Crew des alterwürdigen Sulus und die Merry Harrimen von Interesse.

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USS Enterprise-B zum Anfassen

Unter den neu eingeführten Figuren ist in erster Linie Sulus ungeschützter One-Night-Stand (verdammt, gibt es in der Zukunft weder Geschlechtskrankheiten noch Kondome?) von Belang. Der Rest, besonders die fiesen Ganoven, dienen in ihrer Simplizität eher der passenden Untermalung der Actionsequenzen. Man hat ein wenig das Gefühl, die Weltraumfortsetzung „Indiana Sulu“ zu sehen, denn in Glaubwürdigkeit, Explosionsdichte und Bösewichten gibt es deutliche Parallelen.
Vielleicht entstammen die fiesen Gegner aber auch einer ganz anderen Quelle, wie etwa die kurze Anspielung auf Thors Hammer (vgl. S. 334), oder die Namen der anrüchigen Figuren Taine, Rogers oder Thor nahelegen. In die Entstehungszeit dieses Buches fällt unter anderem die Aufnahme Davids ins Schreiberteam für die Comicreihe „The Incredible Hulk“, für die er, neben anderen wie Spiderman oder Batman, die Rahmenhandlungen entwarf. Die Handlanger um den Erzschufte Taine und er selbst lassen jedenfalls auch eine Herkunft aus dem Milieu der Bildergeschichten zu.
Aber nicht nur mit Comics, sondern natürlich auch bei Star Trek kennt sich David aus und scheut sich auch nicht, dieses Wissen ein ums andere Mal unter Beweis zu stellen. Zum einen geschieht das durch beinahe nebenher eingestreute Sätze wie „Die Natur verabscheut das Vakuum“ (S. 302), zum anderen durch unzweideutige Bezüge, die dem Thema angemessen in erster Linie die klassische Serie betreffen (z.B. S. 73, S. 140 oder S. 249). Daneben bilden, wie bereits angedeutet, die ersten sieben Kinofilme die Eckpunke der Rahmenhandlung dieses Romans. Soweit möglich, bindet er sogar Informationen aus TNG ein (vgl. S. 320ff.) und wer weiß, vielleicht ist Admiral LaVelle (vgl. S. 282) ja ein Vorfahr des in „Beförderungen“ frisch gebackenen Lieutenants gleichen Namens.
Ja selbst der elfte Kinofilm passt ins Bild, denn die ausgiebig beschriebenen Stratokapseln (vgl. S. 119) erinnerte stark an das Gefährt, mit dem der junge Kirk der alternativen Zeitlinie von einem rechtschaffenden Ordnungshüter nach der Entwendung einer Corvette verfolgt wurde.
Abgerundet wird dieses Bild vom großen Thema. Wiedereinmal bedient sich Peter David nämlich in der einladend offen stehenden Schublade klassischer Episoden. Nachdem „Griff in die Geschichte“ bereits für "Imzadi" Starthilfe leistete und „Der Planeten-Killer“ das Fahrgestell für „Vendetta“ bildete, mimt „Landurlaub“ den Keilriemen für dieses Buch.
Ein Markenzeichen der Arbeit Davids ist stets sein einzigartiger Humor. So sind seine Anspielungen um den Screwdriver (vgl. S. 85f.), die Namensähnlichkeit Spocks zu einem halbwegs berühmten Psychologen der Erdgeschichte vgl. S. 229, tatsächlich hält sich das Gerücht hartnäckig, dass der vulkanische erste Offzier der Enterprise nach ihm benannt wurde) oder der letzter Eintrag unter Denkwürdige Zitate ein lebendiger Beweis dafür, dass selbst eine gut aufgebaute, spannende und ernsthafte Geschichte auf Humor nicht zu verzichten muss.

Kritikwürdige Aspekte: Wie bereits erwähnt, ist der Aufbau grandios. Die Rückblicke sind außergewöhnlich. Die Rahmenhandlung hingegen hinkt im direkten Vergleich damit etwas hinterher.
Es fängt bereits damit an, dass die Gegner Sulus dessen Gewaltakte (vgl. S. 122ff.) durch die Bank weg überlebten. Dass dann auch noch der fiese Taine in Khangleicher Manier über die Jahre hinweg seinen Zorn in sich hineinfrisst, um über seine eigenen Rachegelüste schließlich den Verstand zu verlieren, wirkt so dick aufgetragen, wie geklaut. So richtig Seifenoperfeeling kommt aber erst auf, als man erfährt, dass er Demora für seine eigene Tochter hält (vgl. S. 321). Bäh!
Selbst das vermeintliche Crossover mit „Landurlaub“ wirkte etwas bemüht. Ganz besonders dann, wenn man den gelegentlich als unkanonisch angesehenen TAS-Nachfolger „Phantasie oder Wirklichkeit“ in die Betrachtung miteinbezieht. Dort wird die genetische Komponente, die David dem Geschehen anhängt, eher mit technologischen Mitteln, in diesem Fall Robotern, erklärt.
Dadurch wird der eigentliche Höhepunkt der Geschichte in seiner Qualität etwas herabgesetzt, was zwar irgendwie zum Flair „Die Nacht der lebenden Toten“ passt, aber irgendwie aus dem gewohnten Muster Davids herausfällt. Die Ernsthaftigkeit, die noch in „Vendetta“, „Imzadi“ oder sogar „Heldentod“ deutlich zu spüren ist, kommt diesem Buch dadurch etwas abhanden.
Ungeahnte Schwächen zeigen sich dieses Mal in der Figurendarstellung. Mal ganz abgesehen vom lahmen Schurken Taine, bleibt dieses Gefühl an einem Mann hängen: Chekov!
Während sich David alle erdenkliche Mühe gibt, Sulu vor Allgemeinplätzen und Vorurteilen zu bewahren, lässt er ein gleiches Bemühen nicht beim Navigator walten.
Was macht ein Russe in der Bar?
Natürlich einen Wodka bestellen (vgl. S. 84ff.)!
Außerdem okkupiert er in panslawistischer Manier die Sinnsprüche benachbarter Sprachfamilien (vgl. S. 76) oder präsentiert sich als prügelfreudiger Autoritätsverweigerer ohne Aussicht aufs Kapitänspatent (vgl. S. 175f.). Solche platten Stereotypen sollten in einem Werk, dass dazu dient, einem nur selten in den Mittelpunkt gestellten Charakter die verdiente Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, nicht unbedingt auftauchen. Die rote Laterne des vernachlässigsten Brückencrewmitglieds so einfach an Chekov weiterzureichen, passt einfach nicht zum edlen Motiv dieses Buches.
Wie der Admiral John 'Blackjack' Harriman jemals Admiral werden konnte, will mir auch nicht so recht einleuchten. Sein Fanatismus, sein Obrigkeitshörigkeit und sein Befehlsfetischismus wirken zu überzeichnet auf mich (S. 327ff.).

Übersetzung: Schon allein wenn man den Titel liest, muss man sich wundern. „Die Tochter des Captain“ - fehlt da nicht ein Genitiv-'s'?
Bei solchen Anglizismen ist es recht schwer das zu beurteilen, aber da es bei TNG, DS9 und Voyager allgemein so gehandhabt wurde, fehlt der kleine Buchstabe irgendwie. „Die Tochter des Captains“ wäre also sicherlich günstiger gewesen.
Aber vielleicht ist das auch wieder nur ein Indikator für den ständigen Konflikt zwischen der deutschen Sprache, der deutschsprachigen Star-Trek-Synchronisation und dem Heynesprech á la „Starfleet“ (S. 13), „Medo-Offizier“ (S. 27) oder „Diskussegment“ (S. 233). Immerhin muss ich allerdings hervorheben, dass in diesem Buch „deaktiviert“ (S. 340) statt „desaktivert“ benutzt wird.
Darüber hinaus lassen sich auch kleinere Fehler wie „Jenolen“ (S. 165), „Plexglas“ (S. 183), „Die klingonische Delegation hatte geschlossen den Rat der Föderation und die Erde verlassen.“ (S. 259) finden, die durch das Lektorat gefallen sind. Da sie jedoch in einem überschaubaren Rahmen geblieben sind, kann man sie dem Übersetzer allerdings nicht ernsthaft ankreiden.
Natürlich kann man sich über seine Formulierungen streiten. „Käpt'n Steiler Absturz“ (S. 249) ist schließlich keine sehr getreue Übertragung von „Styles without substance“, adoch so bleibt wenigstens der Namensklang um den vorherigen Captain der Excelsior erhalten.
Die Übersetzung von „pecan log“ mit „Baumstamm“ ist da schon etwas problematischer, ganz besonders wenn man kurz darauf liest, dass Demora die Wal-Sonde durch „eine Gabel und ein großes Glas Milch“ auszuschalten gedenkt (vgl. S. 253). Zwar kann man den Begriff "log" in Verbindung mit „pecan“ als den „Stamm des Pekannussbaumes“ übersetzen, doch David spielt eigentlich auf eine Süßigkeit gleichen Namens an, die in der Süßwarenladenkette Stuckey's vertrieben wird und tatsächlich eine gewisse optische Ähnlichkeit mit dem fremden Flugobjekt aus „Zurück in die Gegenwart“ aufweist. Eine ganz schön harte Nuss für einen Übersetzer!

Anachronismen: Da ist es wieder: Das leidige Thema – Geld!
Peter David bleibt sich auch dahingehend treu, denn er hält, wie in den meisten seiner Romane, an diesem Motiv eisern fest (vgl. S. 66, S. 67, S. 68, S. 83, S. 139, S. 142 oder S. 167). Höhepunkt dieser im Hinblick auf Picards Worte in „Der erste Kontakt“ böswilligen Unterstellung ist fraglos dieser Satz auf Seite 70:

Die Menschheit hatte sich im Lauf der Jahrhunderte in vielerlei Hinsicht geändert. Das Grundprinzip jedoch, wie man Kunden um ihr Geld erleichterte, war identisch geblieben.

Das hört sich eher nach Ferengi an, aber kaum nach dem Bild, das Gene Roddenberry von der Zukunft der Menschheit zeichnete.
Daneben lassen sich nur wenige kleinere Fehler finden. So erscheint es mir für die Einführung der Positronik (vgl. S. 24) noch ein wenig zu früh und der Auftritt Boothbys (S. 240) etwas weit hergeholt.
Zudem muss man David vorwerfen, sich nicht mit den biografischen Angaben zur Person Sulus aus vorangegangenen Büchern wie „Der Entropie-Effekt“ oder „Die erste Mission“ auseinandergesetzt zu haben scheint. So kollidiert seine Darstellung beispielsweise mit den vorherigen im Umstand, dass Hikarus Vater nicht als Dichter, sondern als Physiker gearbeitet haben soll (vgl. S. 180).
Das alles wäre an und für sich nicht der Rede wert, wenn nicht ein Fehler das Buch belasten würde.
Dmitri Valtane ist nämlich tot. Das kann man in „Tuvoks Flashback“ jedenfalls deutlich sehen. In diesem Buch kommt diesem Umstand allerdings keine all zu große Aufmerksamkeit zugute, denn der Wissenschaftsoffzier erfreut sich, wie man lesen kann, bester Gesundheit. Scheinbar hat er nach seinem Tod um Versetzung von der USS Excelsior gebeten und sein plötzliches Ableben war sicherlich der Hauptgrund für Sulus Erläuterung:

Valtane war ein guter Offizier. Aber die Besatzung konnte sich nie richtig mit ihm anfreunden.

Natürlich konnte David 1995 noch nicht die Ereignisse der 1996 erstmals im US-Fernsehen ausgestrahlten Voyager-Folge vorhersehen und man muss zu seiner Entschuldigung ergänzen, dass in der Abschiedszene Sulus und seiner Crew in „Das unentdeckte Land“ Valtane sich ebenfalls seinem kürzlich eingetretenen Tod widersetzt und fröhlich in die Kamera winkt...

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Die Excelsior: Das Schiff der lebenden Toten

Fazit: Mit diesem Buch untermauert Peter David seine Sonderstellung und den Star-Trek-Autoren. In Aufbau, Witz, Referenzen, Grundideen und sogar Anachronismen hält er sich an sein eigenes Erfolgsrezept und beschert den Lesern damit einen Einblick in das Leben dreier Figuren, die bislang recht stiefmütterlich behandelt wurden. Herausgekommen ist ein flotter Roman mit hohem Informationsgehalt.
Nur zwei Kritikpunkte schmälern das Lesevergnügen. Zum einen offenbart David ungeahnte Schwächen bei den Charakteren, unter denen vor allem Chekov zu leiden hat, und zum anderen gelingt es der eigentlichen Rahmenhandlung nicht zu überzeugen. Sie wirkt surreal, widerspricht Aussagen aus TAS und vermag es nicht, in puncto Ernsthaftigkeit mit den restlichen Erzählsträngen Schritt zu halten.

Denkwürdige Zitate:

Fähnrich, es gibt eine alte Redensart: Wenn man die Verhandlung gewonnen hat, sollte man schnellstmöglich den Gerichtssaal verlassen.
John Harriman, S. 19

Ich bin Pilot, kein Kamikaze-Flieger.
Hikaru Sulu, S. 264

Wünscht mir Glück und hofft mit mir, daß die Götter, die einst James Kirk beschützten, gelegentlich einen freundlichen Blick in meine Richtung werfen-.
Hikaru Sulu, S. 275

Schließlich hat schon Einstein gesagt: 'Gott mag raffiniert sein, aber er meint es nicht böse.' Ich habe schon immer auf diese Weisheit vertraut.
Einstein, soso.
Was ist los?
Hat er nicht auch behauptet, daß es unmöglich sei, die Lichtgeschwindigkeit zu überschreiten?
Ich schätze, selbst Einstein hatte gelegentlich einen schlechten Tag.
Hikaru und Demora Sulu, S. 260

Bewertung: Typische Qualitätsarbeit mit kleinen Mängeln.

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4 Kommentare:

  1. Hallo Turon,

    diese Rezension habe ich so sehr mit Spannung erwartet wie keine andere - gleichzeitig habe ich mich aber auch ein bisschen davor gefürchtet ;)

    Wie Du sicher weißt, ist "Die Tochter des Captain" einer meiner absoluten Lieblinge unter den Star Trek-Romanen und hat mich in jeder Hinsicht positiv überrascht. Ein bisschen erleichtert bin ich schon, dass es immerhin noch für vier Sterne gereicht hat, bei Dir ist das ja ein sehr ordentliches Ergebnis.

    Wie ich finde, hat Peter David die Charaktere sehr gut getroffen, auch Chekov. Mal ehrlich, Chekov IST nun mal eine sehr stereotype Figur. Seine Fixierung auf Russland wirkte schon in der Serie ziemlich überzogen, und wenn er sich in "Kennen Sie Tribbles?" einen Wodka genehmigte, warum sollte er dies nicht auch in einem Roman tun? Natürlich möchte man als Leser auch andere Facetten seines Charakters kennenlernen. Wie ich finde, ist David auch dieses sehr gut gelungen, denn die Freundschaft zwischen Chekov und Sulu kommt in diesem Roman meiner Meinung nach sehr gut zum Ausdruck. Das passt auch wunderbar zum 7. Film, wo Chekov stolz wie Bolle ist, als er Demora mit Kirk und Scott bekanntmacht.

    Gerade den von Dir kritisierten leichten Surrealismus, gerade zum Ende des Buches hin, finde ich persönlich großartig. Das ist natürlich Geschmacksache, aber ich habe sowieso ein Faible für leicht schräge Star Trek-Romane.

    Bitte nicht falsch verstehen: Ich möchte auf keinen Fall als eingeschnappte Leberwurst daherkommen, die ihre Lieblingsromane nicht ausreichend gewürdigt sieht! Das Gegenteil ist der Fall: Wie immer sind Dir Dinge aufgefallen, die ich beim Lesen überhaupt nicht bemerkt habe, zum Beispiel die Sache mit Dimitri Valtane oder diese "pecan log"-Anspielung.

    Danke für diese tolle Rezension zu einem tollen Roman!

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  2. Sehr schöne Rezi!
    Habe jetzt direkt Lust einen Classic Roman zu lesen. Hab aber keinen, wenn man die Kirk-Romane außenvor lässt. Außerdem bin ich mittendrin in TNG5 und durcheinander lesen ist doof.

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  3. Moin Ameise,

    Keine Angst, eine Leberwurst seh ich beileibe nicht in Dir. Ich kann sogar gut verstehen, dass dieses in der Tat außergewöhnliche Buch Dein Favorit ist.

    Und natürlich hast Du irgendwo auch recht. Die 'surrealistischen' Phasen dieses Romans können, je nach gusto, vom Leser unterschiedlich wahrgenommen werden. Persönlich kann ich mit den Klonkriegern leben.

    Selbstverständlich stimmt auch, dass Chekov bereits in TOS auf seine russische Herkunft reduziert wurde. Aber allen anderen wurde Raum zur Entfaltung gegeben: Picard ist eben kein froschfressender Franzose, Bashir kein muslimischer Top-Terrorist und Harry Kim kein nordkoreanischer Steinzeitkommunist/ respektive südkorianischer Hardcorechrist. Ich finde es einfach bedauerlich, dass ein Mitte der 90er erschienenes Buch sich noch immer solcher Stereotypen bedient, obwohl es den Anspruch vertritt, eine der Figuren genau aus diesem Schatten zu holen. Das finde ich einfach kritikwürdig, zumal ich bei allem Stolz nicht nachvollziehen kann, dass er wie Bolle einen Captain auf einer Beerdigung niederschlägt.

    Aber immerhin war die Entscheidung knapp, doch letztendlich gab Chekov den Ausschlag für vier Punkte - die ja nun nicht schlecht sind.

    Moin Bernhard,

    Du mit TOS-Roman - das möchte ich mal sehen! Mich würde dann auch interessieren, was Du von Vanguard hälst oder vielleicht sogar Sarek (obwohl Dich in beiden Fällen die Seitenmenge abschrecken könnte). Gespannt wie ein Flitzebogen bin ich auf jeden Fall auf Deine Einschätzungen zu "Mehr als die Summe". Und "Destiny" natürlich!

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  4. Bereits seit den Tagen als das Raumschiff Enterprise erstmals gegen die unendliche Stärke der Sportschau den Kampf aufnahm,bin ich Besatzungsmitglied.In der irrelevanten Hoffnung etwas von dem Geist der alten Serie zu finden,greife ich immer wieder nach Startrekbüchern. Ich glaube jeder der zu dieser Art von Büchern greift,weiß das er keinen Orwell,Wells usw. zu lesen bekommt. Aber verdammt ich will Kirk,Spock,Pille und Co zwischen den Zeilen spüren!!...Nun gut vielleicht abgesehen von einer liebevolleren Übersetzung,einen beigefügten Gutschein über eine Maggiesuppe für Zwischendurch (verhandelbar).
    Ein großes Lob an deine Star Trek Roman Rezensionen!!
    Deine Ausführungen sind nicht nur informativ sondern haben einen augenzwinkernden Humor den ich mich kaum entziehen konnte. Alleine für die Bilder in denen du die Bücher vorstellst, hast du ein "Daumen hoch" von mir verdient.
    Danke, mach weiter so!!!

    Gruß von einen Trekki der es nicht scheut zuzugeben das er neben Brecht und Canetti auch Startrek liest

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