Freitag, 25. Juni 2010

Die Gesetze der Föderation

Buchbesprechung DeCandido, Keith R.A.: Die Gesetze der Föderation. Cross Cult, 2005/2010.

Mein Dank geht wieder einmal in Richtung meiner Lieblingsbuchhandlung: Die superschnelle Script-Buchhandlung in Potsdam-Babelsberg und die liebste Buchverkäuferin der Welt...

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Story: Hinter den Kulissen der Föderationsregierung geht es heiß her. Nachdem der vorherige Präsident unter dubiosen Umständen seinen Rücktritt verkündete, ging das höchste politische Amt an die Außenseiterin Nanietta Bacco, die vorherige Gouverneurin von Cestus III.
Und die Frau hat gut zu tun:
Der Aufbau diplomatischer Beziehungen zu einem neu entdeckten Volk endet damit, dass die entsandten Vertreter leblos am Boden des Regierungssitzes zusammensacken, das romulanische Sternenimperium versinkt in völliger Anarchie, abtrünnige Kamikaze-Remaner bedrohen einen Föderationsaußenposten und die Parlementsabstimmung zur Fortsetzung humanitärer Hilfslieferungen nach Cardassia Prime steht auf der Kippe.
Sämtliche Leistungen der unerfahrenen Präsidentin, ihre Fehltritte, fragwürdigen Erscheinungen und ersten Gehversuche auf der galaktischen Bühne werden noch einmal in einer Gesprächsrunde thematisiert, die im gesamten Föderationsbereich und darüber hinaus empfangen werden kann: Schlaglicht auf die Stadt der Lichter.
Eines war jedoch selbst den Urhebern und Gästen dieser Sendung bislang unbekannt: Baccos Vorgänger Zife räumte seinen Stuhl nicht freiwillig. Er musste auf Druck der Sternenflottenspitze zurücktreten, da er bis zum Hals in einer Affäre steckte, die die ohnehin fragile Allianz mit den Klingonen bedrohen würde, wenn sie jemals ans Licht der Öffentlichkeit geriete. Schlimmer noch; ein Krieg wäre kaum mehr abzuwenden.
Als eine junge, begabte Journalistin dem Skandal auf die Schliche kommt, droht nicht nur ein Debakel für die junge Regierung Bacco, sondern auch das Ende der des Friedens in Alpha- und Beta-Quadranten...

Lobenswerte Aspekte: Kennt irgendjemand „The West Wing“?
Nein?
Also für die, denen der Begriff nichts sagt:
The West Wing war eine amerikanische TV-Serie, die kurzzeitig mit dem Zusatz „Im Zentrum der Macht“ auf dem deutschsprachigen Ableger des Bezahlsenders FOX lief und die Interna des Tagesgeschäfts im Weißen Haus thematisierte. Quasi intime (wenn auch fiktive) Einblicke in die Schaltzentrale der Macht auf Erden verkürzt auf knapp vierzig Minuten pro Folge.
Was hierzulande eher unter „Ferner liefen“ abgehandelt wurde, war in den USA ein (relativer) Publikumsmagnet, dem die Emmies und Golden Globes nur so hinterhergeworfen wurden.
Der Star-Trek-Autor Keith R.A. DeCandido versuchte mit diesem Buch, dieses bereits mit Erfolg gesegnete Konzept ins Korsett eines Universums zu drängen, dass bislang nur verwegene, mutige und verantwortungsvolle Captains der Sternenflotte in den Mittelpunkt ihrer Serien setzte.



Doch wie funktioniert das?
Ich persönlich tendiere dazu, zu sagen: „Gut!“
Das Buch ist nämlich frei von den gewohnten Helden. Kein Picard, kein Sisko, kein Mackenzie Calhoun! Statt dessen die bislang kaum in Erscheinung getretene Föderationspräsidentin, über die der gemeine Trekkie normalerweise kaum etwas erfahren kann. Die mächtigsten Figuren des Alpha-Quadranten wachsen hier über sich hinaus und erhalten mehr Freiräume, als in lumpigen Nebenrollen bei Filmen wie „Das unentdeckte Land“ oder Episoden wie „Die Front“.
An vielen Ecken und Enden erinnert die Erzählweise an meine Lieblingsbücherreihe „Vanguard“; leicht und locker spult der Verfasser eine ganze Reihe von Strängen ab, die am Ende ein schlüssiges Gesamtbild erzeugen, das optimal zum Motiv des zentralen Hebels der Macht passt.
Davon abgesehen bin ich ohnehin einer von jenen Fans, die über ein solides Fundament an Star-Trek-Wissen verfügen und nun nach mehr Informationen dürsten:
Wie regiert man einen so einen Multi-Kulti-Laden? Wer hat was zu sagen? Was für ein System liegt dem Ganzen zugrunde?
Da hilft es, sich die wieder einmal glänzende Zusammenfassung Julian Wanglers genauer anzusehen, denn hier blüht er wahrlich auf (vgl. S. 435ff.). Unter Berücksichtigung sämtlicher zur Verfügung stehenden Informationen schafft er einen Überblick, der sich definitiv zu lesen lohnt und selbst meinen (zugegebenermaßen sehr) speziellen Anforderungen gerecht wurde, da er sogar einen Vergleich der fiktiven Institution zur Europäischen Union enthält (vgl. S. 441).
Im Zusammenspiel ergibt sich dem Leser ein recht klares Bild der Vereinigten Föderation der Planeten auf politischer und administrativer Ebene und der entsprechenden Medienkultur, die sich darum gesponnen hat.
Zur allgemeinen Überraschung wirkt die recht vertraut. Im Mittelpunkt steht dahingehend die Sendung Schlaglicht auf die Stadt der Lichter - so eine Art Anne Will der Zukunft und auf kriosianisch. Gekonnt wird mit ihr das aktuelle Tagesgeschehen in Appetit fördernde Häppchen geteilt und geschickt die Handlung im Rahmen gehalten. Doch der Polit-Talk ist mehr: Zum einen ein Beispiel dafür, dass Politik die breiten Massen bewegen kann. Das durch die Bank weg völlig ungleiche Publikum (vgl. z.B. S. 9ff., S. 95ff. oder S. 205ff.) bietet sehr unterhaltsame Nebengeschichten, die erfolgreich das Gefühl vermitteln, die fiktive Föderation sei etwas lebendiges mit unzählbar vielen Facetten. Die einzelnen Zuschauer symbolisieren einige der vielen Bausteine, mit denen ein großes Gebäude der Vereinten Föderation errichtet wurde; ein Gedanke voller poetischer Schönheit und ein wohlklingendes Loblied auf die Demokratie.
Andererseits zeigt es im gleichen Atemzug, dass Politikverdrossenheit die Menschheit schon immer begleitet hat, noch immer begleitet und ewig begleiten wird. Keine einzige der Sendungen wird nämlich von den verschiedenen Gesellschaftskreisen, die sich mit ihnen beschäftigen, bis zum Ende gesehen, selbst wenn das Interesse nicht abzustreiten ist. Ein sympathischer wie nachvollziehbarer Gedanke, denn ich selbst schaffe es nicht, mir in der Realität so etwas bis zum Ende anzusehen.
Mit der realen Welt clever verbunden ist DeCandidos Beschreibung Paris'. Mit gleich mehreren Details gibt er zu erkennen, dass dass er sich in der Stadt der Liebe, Lichter oder Feinschmeckerratten recht gut auskennt (vgl. z.B. S. 21f., S. 32f. oder S. 49f.), wobei sich dieses Wissen nicht nur auf die Lage innerhalb der Stadt, sondern sogar auf die korrekte historische Einordnung bezieht.

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Mit Plan in die Zukunft

Dem steht der Einordnung in das Star-Trek-Universum in nichts nach. Alle Serien erfahren ihre verdiente Erwähnung (ENT S. 243, TOS S. 30, TAS S. 22, TNG S. 61, DS9 S. 227, Voyager S. 99), verschiedene Gaststars treten auf (z.B. S. 97, S. 322 oder S. 404ff.) und eine breite Palette bekannter und unbekannter Mitglieder der Föderation finden hier eine wiederholte oder erste Erwähnung.
Doch der wahre Goldstaub für den informationshungrigen Fan sind die kleinen Nebeninformationen. Die Andorianer haben eine Populationskrise (vgl. S. 59f.)? Logisch, bei vier verschiedenen Geschlechtern ist die Paarung kein Pappenstiel!
Während der Dominion-Kriege gab es eine Hexenjagd auf Chamäleoniden (vgl. S. 134ff.)? Nachvollziehbar, denn die Wesen aus „Das unentdeckte Land“ waren lange vor den Gründern bekannt.
Tal'Auras Stimme erinnert Martok an seine verstorbene Frau Sirella (vgl. S. 405)? Nicht abwegig, denn die Klingonengattin und die Senatorenmörderin wurden von der selben Schauspielerin Shannon Cochran verkörpert.
Abschließend sollte ich den Roman auch dafür herausheben, dass mal wieder Deutschland Gegenstand eines Dialogs wird – und wie kann es anders sein? - natürlich im Kontext des zweiten Weltkrieges (vgl. S. 314 und 317). Das mutet in einer Zeit, in der beflaggte PKWs die Straßen unsicher machen, irgendwie anachronistisch an, weil wir Deutschen ja gerade erst unseren Nationalstolz wiedergefunden hatten, den wir nach 1945 irgendwie 'verlegt' haben. Da sind die im Ausland omnipräsenten Vergleiche mit dem Dritten Reich selbstverständlich unpopulär. Ich wiederum finde das nicht und denke eigentlich, dass wir uns stets (und erst recht heute) vor Augen halten sollten, was im Namen unserer Nation für Verbrechen begangen wurden.
Dennoch, beziehungsweise gerade deswegen, muss ich an den Äußerungen des Buches auch Kritik üben. Deutschland als Staat hinzustellen, der zum zweiten Weltkrieg provoziert worden sei, ist nämlich schlichtweg unsinnig, denn damit kann man den Holocaust, die Kriegsverbrechen und die nationalsozialistische Ideologie beileibe nicht erklären.

Kritikwürdige Aspekte: Eine Erwartung erfüllt das Buch, in dem es vorrangig um Politik geht, sofort: Es präsentiert sich logischerweise in Überlänge. Das kann abschrecken, vor allem jene Leser, die bislang erst zarte Schritte in die Star-Trek-Bücherwelt unternommen haben. Wer sich überwindet wird belohnt – oder auch nicht.
„Die Gesetze der Föderation“ ist ein Hardcore-Werk für Hardcore-Fans und es ist fraglich, ob Anhänger, die nicht über so ein unsinnig eingesetztes Spezialwissen wie ich verfügen, daran ebensolche Freude hätten.
Das liegt schon allein daran, dass man eine ganze Reihe von Büchern gelesen haben sollte, um die Hintergründe und vor allem die Einbettung der Story zu verstehen. Doof nur, dass den wenigen bereits auf Deutsch erschienenen Werken wie „Der rote König“ (vgl. S. 80), „Die Gorn-Krise“ (vgl. S. 273) oder „Der letzte Schachzug“ (vgl. S. 332) Massen an Büchern gegenüberstehen, die bislang einer Übersetzung ins Deutsche harren. Unzählige Referenzen unterschiedlicher Ausprägungen verweisen auf Ereignisse, die in bislang noch unübertragenen Romanen wie „Doors into Chaos“ (S. 17) „Worlds of Deep Space Nine, Volume 2“ (vgl. S. 180ff.) oder „Small World“ (vgl. S. 395) ihrer Entdeckung harren - um nur einige davon zu nennen. Ganz besonders jedoch fehlt die Übersetzung der „A Time to...“- Reihe, deren Inhalte hier von zentraler Bedeutung sind (vgl. z.B. S. 17, S. 28 oder S. 51) und ohne die es dieses Buch niemals geben würde.
Dieses Wirrwarr um den eigenen Bücher-Kosmos vermittelt unablässig das Gefühl, wichtige Informationen verpasst zu haben und dem Werk nur bedingt folgen zu können.
Außerdem erkennt man auf den mehr als 400 Seiten schnell den Sinn folgender Worte, die Kirk in „Treffen der Generationen“ an Picard richtete:

Tun Sie's nicht! Lassen Sie sich nicht von denen befördern! Nicht versetzen! Lassen Sie nicht zu, dass man Sie von der Brücke dieses Schiffes holt, denn solange Sie dort sind, können Sie etwas bewegen!

Tatsächlich bietet das Leben eines Raumschiffkommandanten ungleich mehr Potential, als die eher farblosen Geschichten um Politik, die in erster Linie von den geschickten Schilderungen deCandidos leben. Während Picard tatsächlich eine Position besetzt, an der er etwas zu bewegen vermag, herrscht hier ein behäbige und angestaubte Parlamentsatmosphäre vor und man fragt sich, wenn man sich durch die vielen vielen Seiten gelesen hat schon ab und zu, wie die Föderation überhaupt ein lebensfähiges Gebilde in der Kälte des unendlichen Weltraums mit seinen vielen effizienten Bewohnern wie den Klingonen, dem Dominion oder den Borg sein kann.
Der Eindruck, dass die Föderation auch nur in irgendeinem seiner bürokratischen Auswüchse eine „[...] nahezu synchronisierte Einheit [...]“ (S. 441) sein könnte, wie Julian Wangler es beschreibt, drängt sich nämlich nicht unbedingt auf.
Wer allerdings das BGB für ein unverzichtbares Stück Weltliteratur hält und Bundestagsprotokolle allen Ernstes unterhaltsam findet, hat schon eher seine Freude.
Aber das Große Manko dieses Buches wohnt noch eine Etage über diesem Niveau. Halten wir uns doch noch einmal vor Augen, was der bereits erwähnte Jean-Luc Picard in „Der erste Kontakt“ über die Menschheit äußerte, bevor er eine Glasvitrine zerstörte:

In meinem Jahrhundert erliegen wie nicht mehr der Rache. Unsere Sensibilität ist weiterentwickelt.

Wo war diese weiterentwickelte Sensibilität in diesem Buch? Wo zeigt sich die Entwicklung der Menschheit und die anderer Rassen?
Statt dessen erleben wir mit, wie kitschige US-Militärtraditionen hochgehalten werden (vgl. z.B. S. 227, S. 253 oder S. 255), Geldwirtschaft blüht wie Mohnfelder in Afghanistan (siehe Anachronismen) und die ach so zivilisierte demokratische Ordnung noch immer das undurchsichtige Ränkespiel hinter verschlossenen Türen betreibt (vgl. z.B. S. 163ff., S. 309ff. oder S379ff.). Natürlich ist Science-Fiction immer nur ein Abbild der momentan herrschenden Wirklichkeit, doch der Träumer in mir hatte sich schon eine Welt gewünscht, in der die Menschheit sich tatsächlich über ihre niederen Instinkte hinaus entwickeln könnte.
Zudem muss ich gestehen, dass die Rollen etwas stereotyp sind. Das macht sich besonders bei der Hauptfigur Nanietta Bacco bemerkbar, die als Frau in einer Führungsposition in Wort, Tat und Auftreten so stark an Kathryn Janeway erinnerte, dass der Kurzauftritt derselben (vgl. S. 97) so sehr wie ein Doppelgänger-Wettbewerb wirkte, dass man der Präsidentin gleich Antipathien in den Mund legen musste (vgl. S. 111).
Ansonsten gibt es nur wenig zu meckern. Nur der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass die neudeutsch als „Timeline“ bezeichnete Grafik (S. 352/353) in einem so großen Kontrast zum qualitativ hochwertigen Cover steht, dass man es sich ruhigen Gewissens hätte sparen können, zumal der Informationsgehalt gerade im Hinblick auf kommende Veröffentlichungen des Cross-Cult-Verlages äußerst gering ausfällt.

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Deutsche Weltliteatur zum Haareraufen

Übersetzung: Wenn man das englische Original „Articles of the Federation“ im Deutschen mit „Die Gesetze der Föderation“ widergibt, dann lässt dies Schlimmstes vermuten. Doch weit gefehlt! Für solch einen Wälzer leistet die Übersetzerin Anika Klüver gute Arbeit. Nur wenige Fehler fallen auf, wie etwa die Formulierung „[...] auf Lagen haben [...]“ (S. 78), ein fehlendes Fragezeichen (S. 216) oder der unvollständige Satz „Direkt danach hatten L'Haan und ihre Kollegen Zife, Koll Azernal und Nelino Quafina ihren Ruhestand eskortiert.“ (S. 380). Außerdem hätte ich mir weniger „Chirurgisten“ (vgl. z.B. S. 334, 398 oder S. 418) und mehr „Chirurgen“(vgl. S. 401) gewünscht.
Zu wünschen übrig ließen auch die vielen straßendeutschen Erwähnungen von „Arsch“ (vgl. z.B. S. 82 oder S. 108), denn mit „Hintern“ (vgl. S. 325) klingt es eher nach einem Kompromiss zu dem Sprachniveau, dass man aus Filmen und Serien gewohnt ist. Das allerdings fällt natürlich unter die künstlerische Freiheit, die sich ein Übersetzer herausnehmen darf und auch soll.
Dass die Übersetzerin nicht zu den Star-Trek-Hardcorefans zählt, kann man an kleineren Abweichungen merken. Zum Beispiel schrieb sie „Edonaner“ statt „Edoaner“ (vgl. S. 122), da aber selbst der Kanon lieber von Edosianern spricht, spielt das kaum eine Rolle.
Schade war hingegen, dass Janeways Kosenamen „Wrongway“ ungenau mit „Quatschway“ (S. 111) übersetzt wurde, denn dieser deutschen Übersetzung fehlt es gegenüber dem englischen Original deutlich an Pfiffigkeit.

Anachronismen: Wie bereits angemerkt, klammert dieses Buch die Weiterentwicklung der Menschheit aus. Ganzen vier Belegen für Geldwirtschaft (S. 70, S. 105, S. 121 und S. 312 ) widersprechen vier anderslautenden Behauptungen aus „Zurück in die Gegenwart“, „Der erste Kontakt“ „Die neutrale Zone“ oder „Die Karte“. Oder haben die Dominion-Kriege die Föderation in eine solche Daseinskrise gestürzt, dass man es wieder einführte?
Vielleicht haben sie wenigstens die Immigranten durch die halbe Galaxis gescheucht. Auf Seite 18 behauptet die Sternenflottenadmiralin i.R. Taela Shanti nämlich über die damalige Gouverneurin von Cestus III:

Sie musste eine Immigrationskrise bewältigen, als sie Flüchtlinge aus der cardassianischen Entmilitarisierten Zone aufnahmen, [...]“

Das ist allerdings merkwürdig. Flüchtlinge neigen nämlich dazu, in unmittelbar angrenzende Gebiete zu fliehen. Sogar in der Zukunft, wie die TNG-Folge „Fähnrich Ro“ nahelegt. Dort bleiben die Flüchtlinge nämlich in der Nähe der cardassianischen Grenze zum Föderationsraum, die erst mit der Befreiung Bajors wieder verlegt wird. Damit wird DS9 zu einem Punkt, der jener waffenfreien Zone relativ nahe liegt. Folgender Dialog dazu entstammt Kassidy Yates und Ben Sisko der Folge „Familienangelegenheiten“:

Wissen Sie, mein jüngster Bruder. Er ist Kolonist auf Cestus III...
Auf der entgegengesetzten Seite der Föderation!
Es ist so weit entfernt, dass eine Subraumtransmission zwei Wochen braucht, um dorthin zu gelangen [...]“

In „Der Weg des Kriegers, Teil I“ führen die beiden sogar aus:

Wie weit ist Cestus III entfernt?
Acht Wochen – bei maximaler Warpgeschwindigkeit...

Das hört sich nicht gerade nach einer Entfernung an, die Flüchtlinge auf sich nehmen würden.
Ebenfalls kein großer Freund der Föderation scheinen die Antedeaner zu sein, die in „Andere Sterne, andere Sitten“ im wahrsten Sinne des Wortes versuchen, eine Konferenz zu sprengen.
Umso verwunderlicher, dass diese Spezies laut Buch Mitglieder der Weltengemeinschaft sein sollen.
Ähnlich ergeht es Alpha Centauri (vgl. S. 293). Der Planet sollte eigentlich lediglich eine menschliche Kolonie beherbergen, doch hier wird nicht nur eine entsprechende Spezies beschrieben, sondern auch dem populären Irrtum Folge geleistet, dass es mit diesem Planeten fünf Gründungsmitglieder gab.
Innerhalb des Romans verwunderte mich eine Unstimmigkeit ganz besonders. Wie kann sich der Redenschreiber Fred McDougan allen Ernstes darüber aufregen, dass seine Chefin durch das harmlose Wort 'nun' „[...] wie eine Idionten klingen [...]“ (S. 261) würde, wenn er ihr eine Ansprache verpasst, in der sie Romulaner fröhlich in eine Liste mit Föderationsmitgliedern mixt (vgl. S. 273)?

Fazit: „Die Gesetze der Föderation“ fallen etwas aus dem Rahmen, den man bei Star-Trek-Romanen vielleicht gewohnt ist. Nicht die Heldentaten eines verwegenen Captains, sondern der Alltag der Föderationspräsidentin wird geschildert und schon das allein macht das Buch irgendwie besonders.
West Wing: the next Generation bietet ungewohnte Einblicke aber scheitert bereits dadurch, dass es äußerst spezielles Wissen vermittelt. Es stützt sich auf die Vorlagen hierzulande unbekannter Bücher, geizt nicht mit Anachronismen und zeigt deutlich, warum Picard wohl niemals Admiral wird.
Am betrüblichsten ist jedoch die Tatsache, dass der Roman daran versagt, der so oft propagierten Weiterentwicklung der Menschheit Tribut zu zollen. Statt dessen hält er sich an profanen Gegenwartsproblemen auf, deren Überwindung in Abrede gestellt wird.

Denkwürdige Zitate:

Ich habe die Hoffnung, Ma'am, dass wir uns besser anstellen, als die Medici. Oder Marie Antoinette.
Esperanza Piñiero, S. 33

Ich schwöre Ihnen, heute wurde auf Chalna mehr regiert als hier, und die Chalnoth sind Anarchisten.
Nanietta Bacco, S. 108/109


Bewertung: Eine gute Wahl für Experten, aber kaum mehrheitsfähig.

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4 Kommentare:

  1. Zu "THE WEST WING": Die Serie verstaubt ja immernoch beim ZDF im Archiv. Man hatte es seinerzeit ja lieber mit der Adaption "DAS KANZLERAMT" versucht, weil man der Meinung war, dass das Original nicht für den deutschen Markt geeignet sei. Später hat man dann aber ziemlich schnell festgestellt, dass "DAS KANZLERAMT" ebenfalls nicht für den deutschen Markt geeignet ist. Mit dem neuen Sender ZDF Neo gibt es wieder Hoffnung, dass es das Original doch noch ins deutsche Free-TV schafft. Immerhin ist US-Politik seit Obama wieder etwas populärer.

    Zum Buch: So richtig ist mir noch nicht klar, was eigentlich die Geschichte ist. Also es gibt die Präsidentin und das Buch begleitet sie für einen gewissen Zeitraum. Hin und wieder gibt es Einschübe mit kleineren Randgeschichten von Zuschauern dieser fiktiven Fernsehsendung, die einen Handlungsstrang darstellt, der regelmäßig auftaucht. Daneben tauchen noch einige bekannte Gesichter (wie Janeway) auf. Richtig so? Klingt erstmal nicht so wahnsinig interessant. Zugegeben: Meine Skepsis gegenüber diesem Roman war von Anfang an da und ich sehe auch jetzt noch keine Notwendigkeit um dieses Buch zu lesen. Ich habe ja nichts dagegen, dass man mal das Star Trek-Universum aus einem neuen Blickwinkel betrachtet und andere Charaktere in den Mittelpunkt stellt, aber für DIE GESETZE DER FÖDERATION bin ich noch nicht bereit. Da würde ich vermutlich nur wenig Spaß dran haben.
    Anders sehe ich das zum Beispiel bei dem angekündigten Garak-Roman, der Ende des Jahres erscheinen soll. Auf EIN STICH ZUR RECHTEN ZEIT freue ich mich schon seit ich von der deutschen Veröffentlichung weiß.

    Zu deiner Rezension: Ich hatte gehofft, dass Du das Buch rezensierst, weil ich bei diesem Werk wirklich nicht weiß, was mich da erwartet und eine Kritik von Dir unterstützt mich bei meiner Kaufentscheidung in diesem Fall schon sehr. Wobei ich mich nun für einen Nicht-Kauf entschieden habe. Ich habe lange gebraucht, um mich bei "24" an die Politik-Einschübe zu gewöhnen und mag diese nun ebenso wie den Rest der Serie. Aber eine 40 Minuten Episode (völlig egal, ob "24" oder "THE WEST WING") ist ein deutlicher Unterschied zu einem ganzen Politik-Buch.

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  2. Mann, bist du schnell! Gleiches gilt für deinen Buchladen! Mein Buch ist leider noch nicht in Sicht.

    Ich kann auch nicht unbedingt behaupten, dass ich diesem Roman mit Vorfreude entgegenfiebere. Mir geht es da ähnlich wie Bernhard: Das Thema an sich klingt für mich nicht sehr spannend. Geschichten über politische Ränkespiele interessieren mich nicht allzusehr, und deine (wie immer tolle!) Rezi scheint meine Befürchtungen zu bestätigen. Aber wenn es ein wenig wie "Vanguard" sein soll, gibt es ja noch Hoffnung! Immerhin ist es auch meine Lieblingsromanreihe von Cross Cult.

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  3. Moin Bernhard;

    Deine Einschätzung der Handlung haut so ungefähr hin. Auch ich denke, dass dieses Buch Deinem Geschmack nicht so ganz gerecht werden würde - wenn Dir meine Rezension jedoch bei Deiner Entscheidungsfindung helfen konnte, freut mich das natürlich sehr. Und einem ganzen Roman über Garak fiebern wir wohl beide zusammen entgegen!

    Moin Ameise;

    Ersteinmal: Danke für die Blumen!
    Bei Dir bin ich sehr gespannt, was Du vom Buch halten wirst. Tatsächlich gibt es, gerade im Hinblick auf die Etage der getroffenen Entscheidungen, einige Parallelen zu unserer beider Lieblingsromanserie.
    Ich war übrigens tatsächlich gespannt auf dieses Werk, das mich erst während des Lesen etwas ernüchterte. Wer weiß, vielleicht ist es bei Dir ja andersherum?

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  4. Ich bin's nochmal. Gestern habe ich das Buch fertiggelesen, und Deine Vermutung war ganz richtig: Bei mir war es tatsächlich andersherum!
    Ich dachte wirklich, dass der Roman ein langweiliger, zäher Politschinken wäre, aber komischerweise fand ich es überhaupt nicht öde, sondern sehr reizvoll! Es war sehr interessant, mal eine völlig andere Perspektive einzunehmen.
    Im Gegensatz zu Dir konnte ich den Roman aber nicht in einem Rutsch durchlesen, sondern immer nur kurze Abschnitte, was dann insgesamt geschlagene drei Wochen dauerte.

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