Donnerstag, 12. November 2009

Offenbarung. Buch 1

Buchbesprechung Perry, S. D.: Offenbarung. Buch 1. Cross Cult, 2007/2009.

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Story: Die Raumstation Deep Space Nine sucht nach den Abgängen von Spitzenkräften wie Ben Sisko, Odo, Worf oder O'Brien noch immer nach ihrer Identität. Inmitten von Umbau und Aufrüstungsarbeiten lernt sich die neu zusammengestellte Crew erst kennen.
Und Konflikte sind vorprogrammiert: Kira und die neue Sicherheitschefin Ro Laren zicken sich an, Quark hat ein Auge auf Ro geworfen, Nog steht unter Stress und in der Beziehung zwischen Ezri und Bashir beginnt es langsam zu kriseln. Kira verliert auch noch eine alte Freundin durch ein Attentat direkt vor dem Quark's.
Doch zu den kleinen menschlichen Grabenkämpfen gesellen sich urplötzlich größere, denn eine Gruppe von Jem'Hadar-Schiffen greift ohne Vorwarnung die Station an und erwischt sie auf dem kalten Fuße: Nur mit Müh und Not sowie fremder Hilfe gelingt es, dem Blitzangriff zu trotzen. Doch der Preis ist hoch. Die zur Bewachung abgestellte USS Aldebaran wird zerstört, die Defiant kampfunfähig gemacht und Deep Space Nine muss Verluste an Besatzung und Einrichtung hinnehmen.
Doch es gibt ein Licht am Ende des Tunnels. Jake hat eine Prophezeiung aufgetan, die ihm einen Weg aufzeigt, seinen Vater zurückzuholen, die Enterprise hat einen verschollenen Drehkörper gefunden und Ro hat einen wichtigen Schritt zur Lösung des Mordfalles getan, der vor dem Quark's stattfand.
Doch eben jener Fall ist von viel größerer Tragweite, als die meisten Bewohner der Station überhaupt ahnen können...

Lobenswerte Aspekte: Na endlich! Endlich ein Auflösungsversuch, nachdem das doofe Serienfinale „Das, was Du zurückläßt“ ja viel zu viele Fragen unbeantwortet gelassen hat. Erinnern wir uns:
Sisko ist auf unbestimmte Zeit auf eine Art Klassenfahrt bei den Propheten, Rom wird Nagus, Odo kehrte in den Tümpel zurück, aus dem er kam und die arme Kasidy ist ebenso schwanger wie allein.
Dass so ein offenes Ende voll Moppelkotze ist, haben sich jedoch nicht nur die Fans gedacht, sondern auch die vielen fleißigen Star-Trek-Bücherautoren. Bei so einer Menge Potential musste einfach auf die ein oder andere Art und Weise eine Fortsetzung folgen, und auch wenn der Verlag Cross Cult sich eine Menge Zeit für das eigentlich im Oktober zur Erscheinung angedachte Werk ließ, hat sich das lange Warten dennoch gelohnt.
Denn „Offenbarung“ ist spannend geschrieben und Stephani Danelle Perry beweist auf so ziemlich jeder einzelnen Seite ihr überaus beeindruckendes Hintergrundwissen zur Serie Deep Space Nine. Doch auch andere Serien kommen nicht zu kurz; von TOS (vgl. S. 121) bis ENT (vgl. S. 253) wird hier eine unheimlich große Bandbreite an Informationen aus den verschiedensten Serien aufgenommen.
Erinnern wir uns zurück an eine Zeit, in der DS9 das erste Mal über den Äther lief: Die Crew der damals so überaus populären USS Enterprise NCC 1701-D leistete der abgewrackten Raumstation am Rande des bekannten Universums Entwicklungshilfe und der Auftritt Picards läutete den Lauf der Serie ein. Doch damit nicht genug.
Mit Miles O'Brien ließ sie eine überaus sympathische und altbekannte Figur zurück, die hier dem Zuschauer den Einstieg in die Nachfolgerserie vereinfachen sollte.
Nun, nach den sieben Staffeln ist natürlich alles anders. Obwohl – ist es das wirklich?
Die USS Enterprise NCC 1701-E unter dem Kommando Jean-Luc Picards ist auf dem Weg nach Deep Space Nine und mit Ro Laren ist ein für den Leser und Fernseher altbekanntes Gesicht mit von der Partie.
Zuerst allerdings schrillten sämtliche Alarmglocken in meinem Hinterkopf, als ich erfuhr, dass ausgerechnet Ro Laren und Kira Nerys zusammen auf der Raumstation arbeiten sollten.
Wie man nämlich bei Memory Alpha schnell nachlesen kann, sollte eigentlich Ro Laren die ranghöchste Bajoranerin spielen, doch als Michelle Forbes den Produzenten einen Korb gab, modifizierten diese ihre Rolle leicht und die Figur Kira Nerys war geboren.
Die vielen Ähnlichkeiten sind frappierend, besonders wenn man die Darstellung Nana Visitors im Kontrast zu ihrem Alter, ihrer Attraktivität und ihrem schauspielerischen Talent sieht.
Doch im Laufe der Serie bekam Kira einen Vorteil, den Ro Laren nicht im gleichen Maße hatte: Der Charakter konnte sich entwickeln und reifen.
Und genau diesen Vorteil nutzt Perry ausgiebig. En Detail erarbeitet sie während der Handlung die feinen Unterschiede zwischen beiden und dabei ist es so glaubwürdig wie hilfreich, dass sich beide nicht mögen. Gerade das Zusammenspiel dieser beiden macht einen großen Reiz dieser Geschichte aus.

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Kleine Notizen können vergesslichen Menschen eine echte Lebenshilfe sein

Aber auch die anderen Charaktere sind gut getroffen. Angefangen beim noch immer profitgeilen Quark, über den impulsiven Nog, bis hin zum etwas plüschigen Jake hat man stets einen hohen Wiedererkennungsgrad.
Dennoch sind die neu eingeführten Charaktere der eigentliche Clou des Buches. Besonders über den Andorianer Shar habe ich mich gefreut, und die Art und Weise, auf die ein wirklich popeliger Nebendarsteller der Folge „Heilige Visionen“ hier zu einem der zentralen Charaktere hochgezogen wird, ist schlichtweg genial (vgl. S. 216).
Besonders gelungen sind zudem die Bolianerin Jast oder die verschiedenen Crewmitglieder der USS Aldebaran. Sie alle sind nämlich eingehend beschrieben und erwecken ein Sympathiegefühl beim ahnungslosen Leser, der im Verlaufe weniger Seiten auch schon wieder Abschied von ihnen nehmen muss, denn sie alle finden einen sinnlosen Tod. Drastisch und radikal, aber durchaus gelungen!
Desweiteren hervorzuheben sind die vielen kleinen Zusatzinformationen, die dem Leser geboten werden. So erfährt man ausführlicher von den traumatischen Feuererlebnissen, die Geordi LaForge in „Der einzige Überlebende“ erwähnte (vgl. S. 149), wie Jakes vollständiger Name lautet (vgl. S. 23) oder wozu die Antennen von Andorianern nütze sind (vgl. S. 188f. und S. 202f.). Auch dass Simon Tarses aus „Das Standgericht“ auf DS9 einen neuen Job gefunden hat (vgl. S. 47), war erfreulich zu hören.

Kritikwürdige Aspekte: Im Laufe der Seiten tauchen unglaublich viele Bezüge auf andere Bücher auf (vgl. S. 132, S. 147 oder S. 142), und besonders im Umgang mit Charakteren wie Elias Vaughn und Ro Laren sollte man sich schon gut in der Star-Trek-Bücherwelt auskennen.
Doof nur, dass die meisten der entsprechenden Werke (noch) gar nicht auf deutsch erschienen sind, und somit nur den englischen Büchern zu entnehmen sind. Dem hiesigen Leser fehlen dadurch zu viele Bezüge und das ungute Gefühl einer unnötigen Wissenslücke ist beim Lesen ein ständiger Begleiter.
Leider liegt der größte Nachteil des Buches darin, dass es eigentlich kein wirkliches Buch ist, denn das Ende fehlt ihm völlig. Mit wachsender Nähe zum viel zu abrupten Finale des Romans wird immer deutlicher, dass sich die Handlung zwar endlich verdichtet, doch die immer weniger werdenden Seiten zeugen schnell davon, dass es nur ein Buch zum Anfüttern ist, das auf einen zweiten Teil hinarbeitet.
Man kann mich gern als altmodischen Spießer bezeichnen, aber ich persönlich empfinde diese neuerliche Mode kleinerer Mehrteiler-Romane eher als Abzocke, denn als spannungssteigerndes Element. Ein solch umfangarmes Werk wie „Offenbarung“ hätte man auch problemlos mit seinem Nachfolger zusammenlegen können, denn für sich allein ist es nichts halbes und nichts ganzes – ein loses Stückwerk, an das man sich nur fragmentarisch erinnert, wenn endlich (und sicherlich wieder mit Verspätung) der zweite Band erscheint.

Übersetzung: Schon nach wenigen Zeilen wird klar, das Christian Humberg wieder zugeschlagen hat: An Formulierungen wie „darstellten“ (S. 5), „welcher“ (S. 7) oder „[...] der diesen [...]“ (S. ), die in ihrem Kontext irgendwie fehl am Platz wirken, kann man schnell den Stil erkennen, der bereits im vierten Vanguard-Band „Offene Geheimnisse“ auffiel.
Doch, einmal vom chronologischen Einleitungsteil abgesehen, verlieren sich entsprechende Fehler und Humbergs Übersetzung, deren Stärke eindeutig in seiner Wortwahl liegt, verleiht dem Roman eine angenehme Flüssigkeit. Formulierungen wie „[...] falsche Fuffziger [...]“ (S. ) oder „Mumpitz“ (S. 271). die es zwar so im amerikanischen Englisch nicht gibt, passen jedoch gut zur jeweiligen Situation und beweisen, dass man sich als Übersetzer durchaus die ein oder andere Freiheit nehmen darf, um der deutschen Sprache trotz des Originaltextes genügend Spielraum zu bieten.
Kleinere Fehler oder Streitfälle wie „EMZ“ (S. 8) statt 'DMZ', „Ensign“ (S. 118) statt 'Fähnrich' oder „Sythale“ (S. 251) statt 'Synthale' verlieren daher an Bedeutung, zumal es hier der erste Roman seit langem erschienen ist, in dem es endlich einmal „Runabout“ (S. 47) statt 'Flitzer' heißt.

Anachronismen: Obgleich der Roman, der ja nach Deep Space Nine ansetzt, nicht sonderlich anfällig für Fehler in der Zeitlinie sein dürfte, sind mindestens drei kleine Ungereimtheiten zu finden.
Kiras Traum vom cardassianischen Frachter Kamal beinhaltet auch cardassianische Wärter, die sie zeitlich anhand ihrer Uniformen einordnen kann (vgl. S. 37). Logisch eigentlich, schließlich tragen die Löffelköpfe in der TNG-Episode „Der Rachefeldzug“ ganz andere Uniformen, als etwa später bei Deep Space Nine.
Dumm nur, dass bei Odos Trip in die eigene Vergangenheit (vgl. „Die Schuld“) eindeutig die selben cardassianischen Uniformen zu sehen sind, die auch in den verschiedenen Episoden der Serie zu sehen waren.
Gut, eigentlich war das Schlamperei am Set der Folge, aber dummerweise wird dadurch dem achtsamen Blick Perrys widersprochen.

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For the Uniform?

Der nächste kleinere Fehler ist vielleicht sogar nur ein Tippfehler, denn obwohl sich der Andorianer Shar ob der Temperatur auf der Station unwohl fühlt (vgl. S. 59), sehnt sich der blauhäutige Wissenschaftler plötzlich in sein „[...] warmes Quartier [...]“ (S. 76) zurück. Nun, 'warm' wäre nun wirklich das letzte Wort, dass man mit der andorianischen Heimatwelt, wie sie in „Die Aenar“ zu sehen war, in Verbindung bringen müsste.
Am merkwürdigsten fand ich allerdings, dass bei den Bajoranern das Alphabet zwar in einer anderen Reihenfolge als das menschliche verläuft, doch der Meter ein allgemeines Kulturgut des Universums sein muss. Die mysteriösen Angaben, denen Ro nämlich hinterherforscht, geben zwar abweichende Zahlen für die Stellung der Buchstaben im Alphabet an, doch die Angabe von 1,5 Metern bleibt, selbst allen unterschiedlichen Längenmaßeinheiten, die es allein auf der Erde gibt, die selbe (vgl. S. 220).

Fazit: Wer auch mit einem gewissen Gefühl der Enttäuschung das Serienfinale von Deep Space Nine gesehen hat, dem sei die „Offenbarung, Buch 1“ ans Herz gelegt.
Endlich geht es weiter, denn die vielen offenen Fragen schreien geradezu nach einer längst überfälligen Beantwortung.
Und tatsächlich herrscht Aufbruchstimmung wie beim Pilotfilm: Die Enterprise ist auf dem Weg zur Station und mit Ro Laren ist ein vertrautes Gesicht mit dabei. Auch die neu eingeführten Charaktere überzeugen auf ganzer Linie. Viele neue Informationen für den neugierigen Fan bereichern die Handlung und ebenso zahlreiche Querverweise auf Deep Space Nine, andere Star Trek Serien und Bücher schaffen eine Aura der Vertrautheit. Selbst die Übersetzung ist richtig gut gelungen und die wenigen Anachronismen stören auch nicht weiter.
Nur eines nervt: Wer ein normales, in sich geschlossenes Werk erwartet, oder sowieso die Hälfte wieder vergessen hat, wenn Cross Cult endlich den zweiten Band herausbringt, sollte vielleicht beide Bücher zusammen erwerben, denn diesem Buch fehlt ein Abschluss, der eine Moral und eine Katharsis bietet.

Denkwürdiges Zitat:

Ich vermisse dich, Jake.
Ich vermisse dich auch. Also küsst Du mich jetzt, oder was?
Nog und Jake, S. 260

Bewertung: Ein vielversprechender Anfang, aber eben nur ein Anfang.

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Weiterführende Leseliste:

DS9, Staffel Acht, 01: Offenbarung, Buch 1
DS9, Staffel Acht, 02: Offenbarung, Buch 2
DS9, Staffel Acht, 03: Der Abgrund
DS9, Staffel Acht, 04: Dämonen der Luft und Finsternis
DS9, Staffel Acht, 05: Mission Gamma I: Zwielicht
DS9, Staffel Acht, 06: Mission Gamma II: Dieser Graue Geist

4 Kommentare:

  1. Man bist Du schnell, wann liest Du denn das alles? Ich hab mein Buch noch nicht mal abgeholt, bin aber jetzt um so neugieriger! Klasse Rezension, wie immer eigentlich...
    GRÜßE!

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  2. Benji ist auf Klassenfahrt bei den Propheten - das klingt absolut genial!
    Aber Shar ist einfach göttlich.

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  3. Jetzt weiß ich ja, was ich mir vom Weihnachtsmann wünsche...

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  4. Jetzt habe ich den Roman auch durch und muss sagen, dass ich doch sehr zufrieden mit der Kaufentscheidung bin. Jetzt geht es mit der Fortsetzung weiter...

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