Donnerstag, 3. September 2009

Was kostet dieser Planet?

Buchbesprechung Ford, John M.: Was kostet dieser Planet?, Heyne 1987/1996.

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Story: Ohne Dilithiumkristalle kein Warpantrieb – diese einfache Formel ist in der Föderation genauso bekannt, wie im klingonischen Imperium.
Daher setzt ein regelrechtes Wettrennen ein, als beide Seiten auf den Planeten Pi Pharosi II, bzw. Direidi stoßen, der zwar bevölkert, dafür aber unermesslich reich am von allen Seiten so begehrten Rohstoff ist. Gemäß des Friedensvertrags von Organia müssen beide Parteien unter Beweis stellen, wer die geeignetere Seite zur Steigerung des Lebensstandards der Bewohner und damit auch des Abbaus sämtlicher Bodenschätze ist. Daher macht sich eine Delegation der Klingonen zum Planeten auf, während zeitgleich die Föderation natürlich nicht untätig zuschauen will. Mit der USS Enterprise NCC-1701 und dessen Captain James Tiberius Kirk schickt sie eines ihrer Aushängeschilder zum diplomatischen Showdown, um die lebenswichtige Ressource nicht dem Erzfeind zu überlassen.
Doch die beiden diplomatischen Corps haben ihre Rechnung ohne den Wirt gemacht. Die einheimischen Direidi setzen sich geschickt zur Wehr, mit der einzigen Waffe, die ihnen zur Verfügung steht: Humor.

Lobenswerte Aspekte: Wenn man das Buch so liest, fällt schnell auf, dass den einzelnen Charakteren recht passende Ausdrucksformen verpasst wurden. So erweist sich der Chefingenieur Montgomery Scott als glühender Anhänger des schottischen Nationalsports Golf (vgl. 147ff.), während sich McCoy – zu meinem größten Verständnis - als Morgenmuffel entpuppt (vgl. S. 9ff.). Kirk schlägt sich mit anderen Problemen herum, z.B. seiner Wampe, die verursacht, dass gewisse Kleidungsstücke in der Bauchregion spannen (vgl. S. 235).
Doch auch einige andere Figuren sind recht gut nachempfunden. Als Paradebeispiel möchte ich den im Roman fiktiv dargestellten MacMain herausheben, der irgendwo zwischen Indiana Jones, Flash Gordon und Ocean’s Eleven anzusiedeln ist (vgl. S. 64ff.)
Eher rar sind hingegen andere Star-Trek-Bezüge, wie Anspielungen auf die Fernsehserie oder Kinofilme, gesät. Für viel mehr als Referenzen auf die ausgestorbenen Meeressäuger (S. 86) aus Star Trek IV: Zurück in die Gegenwart, die Faust-und-Degen-Action aus „Das Gleichgewicht der Kräfte“ (S. 267) und die für dieses Buch maßgeblich Pate stehende Episode „Kennen Sie Tribbles“ (S. 145) hat es nicht gereicht, obwohl dies beim Lesen eigentlich nicht schwer ins Gewicht fällt.
Umso bemerkenswerter sind die Anspielungen, die scheinbar auf andere Folgen gemünzt sind: Die lateinische Phrase „Non sequitur“ (S. 263) scheint auf den englischen Originaltitel der Voyager-Folge „Der Zeitstrom“ hinzuarbeiten und den Miteinbezug Gilberts und Sullivans könnte man als Hommage an den neunten Star-Trek-Kinofilm „Der Aufstand“ interpretieren, in dem Picard, Worf und Data den Gassenhauer „A british tar“ intonieren.
Doch weit gefehlt: „Was kostet dieser Planet?“ erschien 1987 auf dem us-amerikanischen Büchermarkt und damit acht Jahre vor der Erstausstrahlung von „Der Zeitstrom“ und elf Jahre bevor „Der Aufstand“ seine Kinopremiere feierte.
Anstatt in die Zukunft abzuschweifen, schafft sich das Werk in seiner Entstehungszeit einen Sockel, von dem aus es deutlich seine Einflüsse erkennen lässt. In diesem Zusammenhang stehen auch die Erwähnung Reagans (S. 198), die erheiternd anmutende Verwendung von Videokassetten (S. 279) und die offensichtliche Anleihe bei Monty Python (vgl. 148), der damals wohl bekanntesten Komikertruppe der Welt.
Nicht zuletzt wegen letztgenannter Bezüge muss ich daher zugeben, an mehreren Stellen geschmunzelt zu haben, auch wenn das Buch dem selbst erwählten Slogan „Der witzigste STAR TREK-Roman aller Stern-Zeiten“ nicht unbedingt gerecht wird.

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Videokassetten aus dem 20. Jahrhundert - In diesem Jahrhundert veraltet, im übernächsten wieder state of the art?

Kritikwürdige Aspekte: Es war 1996, als mein guter alter Jugendfreund Hans Oetzthaler mir dieses Buch in ehrlich gemeintem guten Willen zum Geburtstag schenkte. Ich hatte bereits damals eine größere Menge Star-Trek-Bücher regelrecht verschlungen und das Geschenk schien wie für mich gemacht.
Ungefähr in der Woche nach Erhalt machte ich mich begierig daran, es zu verschlingen, doch ich gab das Lesen bereits nach zwanzig oder dreißig Seiten auf. Ich legte es zurück ins Bücherregal und versuchte im Laufe der Jahre immer wieder, es von neuem zu lesen. Doch nie kam ich über die ersten Seiten hinaus, da meine Motivation mit jeder neu angefangenen Seite wieder abnahm.
Schnell wurde es zu einem meiner Paradebeispiele, warum Star-Trek-Bücher an den wirklichen Kanon nicht herankommen. Doch ich hatte mich geirrt.
Nachdem ich mich zum Lesen durchgerungen habe (und es trotz mehrerer Motivationsabfälle endlich einmal durchhielt) muss ich feststellen, dass dieses Werk kein gewöhnliches ist, sondern den Versuch markiert, den etwas anderen Star-Trek-Roman auf die Beine zu stellen, der statt biederer Konzentration auf den Ernst des zukünftigen und heutigen Lebens und todbringenden Weltraumschlachten Humor in die verstockte Figurenwelt bringen soll.
Soweit der Anspruch, doch im Großen und Ganzen ist das mächtig in die Hose gegangen. ‚Der Witz’ rangiert irgendwo zwischen Dick & Doof, Sat1 Wochenshow, Die nackte Kanone und Dadaismus. Qualitativ hochwertiger Humor á la Monty Python kommt von selbst nicht auf und an Science-Fiction-Persiflagen wie Douglas Adams’ göttlichen Roman „Per Anhalter durch die Galaxis“ reicht dieses Buch bei weitem nicht heran.
So muss man sich mit Fäkalhumor (S. 15), dämlichen Wortspielen auf Kindergartenniveau (allenthalben), Klopf-Klopf-Witzen (S. 77) oder Tortenschlachten (S. 268ff.) abfinden, die den Zenit der Komik schon längst überschritten hatten, als mein Großvater geboren wurde.
Hinzu kommt, dass die Erzählstränge schlecht miteinander verwoben und sehr unübersichtlich sind. Abgesehen von der fehlenden inneren Logik des Geschehens wirken die kleinen Geschichtchen und Abenteuer wie halbherzig zusammengeflicktes Stückwerk, dem das märchenhafte Ende nur die sprichwörtliche Krone aufsetzt.
Dass sich der leider bereits verstorbene Autor John M. Ford auch noch für ein Musical in Schriftform entschieden hat, ist überhaupt einer der tragischsten Aspekte des Werkes. Diese Idee funktioniert schon allein in der Übersetzung nicht, und ich bin mir sicher, dass sich selbst im englischen Original allerspätestens nach der dritten Gesangseinlage ein quälender Nervfaktor einstellt.
Fragwürdig ist auch die Namenswahl des Autors. Obwohl ich anfangs noch sehr angetan vom ‚vulkanischen’ Namen T’Vau war, der auf ein beliebtes Unterhaltungsmedium zurückzuführen ist, verflog diese anfängliche Sympathie rasch. So ignorierte Ford als Amerikaner, dass ein russischer Name wie ‚Trofimow’ bei einer weiblichen Trägerin ‚Trofimowa’ lauten müsste, Prinzessin Deedee erinnerte mich stark an Dexters Labor und die Bezeichnungen der Klingonen klingen wegen ihrer Dreigliedrigkeit und den Vokalkombinationen vielleicht Vietnamesisch, nur selten jedoch Klingonisch.
Natürlich muss man sich vor Augen halten, dass es zu jener Zeit bereits den Konflikt zwischen einer vom Autoren erschaffenen Sprache Klingonaase und dem von Marc Okrand unter wissenschaftlich-linguistischen Richtlinien entwickelten Sprache ‚tlhIngan’ gab. Doch in diesem Werk wirkt die von Ford selbst entwickelte Sprachvariante (bei allem Respekt und Interesse, das ich tatsächlich für dieses ‚Klingonenfranzösisch’ aufbringe) wie ein unausgegorener Abklatsch seines etablierten großen Bruders, was sich etwa am Wort „Tlhingan“ (S. 131) deutlich zeigt: Irgendwo stark am Original angelehnt, ist es trotzdem weder in Schreibweise noch Aussprache dasselbe. Warum sonst würde ‚Proke’ Uhura eine gute Sprachkenntnis des Klingonischen diagnostizieren, wenn sie im sechsten Kinofilm „Das unentdeckte Land“ Wörterbücher benötigt?
Doch andere Filme werfen gleichermaßen Fragen auf, die tiefe Logiklöcher in diesen Roman reißen. Im elften Kinofilm ist die Rede von sechs Millionen Vulkaniern, die den Heimatplaneten der Spezies bewohn(t)en. Spock kennt jedoch T’Vau genauso, wie er bereits Steven in „Die erste Mission“ und andere Artgenossen in anderen Werken kannte. Natürlich ist er ein überlegener Intellekt, aber jeden verdammten Bewohner seiner Heimat zu kennen, ist vielleicht doch etwas unglaubwürdig.
Doch nicht nur das! Genauso unglaubwürdig sind auch die kruden technische Ideen des Autors. Egal ob das Beate-Uhse-Raumschiff (S. 8ff.), der heute schon veraltete bisduotronische-Polyprozessor-Computer (S. 19), 4D-Dilithiumkristalle (S. 24) oder die Behauptung, dass Warpantriebe mittels Energiestrahlverstärkung durch Dilithiumkritalle funktionieren (S. 134) – den meisten seiner Ideen und Erklärungen kann man entweder nur kopfschüttelnd begegnen, oder sie, getreu des Roman-Credos, als weiteren schlechten Witz abtun.
Diesem Bild bleibt natürlich auch die Übersetzung treu. Englische Begriffe werden, deutschsprachigen Äquivalenten zum Trotz beibehalten („Starfleet“, S. 9;„Starbase“,S. 57 oder „Stunner“ S. 240); andere Begriffe werden in Ignoranz zu parallelen Bezeichnungen in Film und Fernsehen fortgeführt („Diskussegment“, S. 41; „romulanisches Bier“ S. 9 oder „Terraner“ S. 114). Gemixt mit Wortneuschöpfungen durch Kombinationen von Präfixen wie Medo- (vgl. S. 124 oder S. 206) oder Erg- (vgl. S. 41 oder S. 133) oder falsch übernommenen Begriffen wie „desaktivierter“ (S. 241) lässt der Verlag das gewohnte Bild stiefmütterlicher Beachtung der Star-Trek-Franchise aufkommen.
Andererseits hatte die Übersetzung es auch nicht leicht. Wer schon einmal Filme wie „Hot Shots“, „Die unglaubliche Reise in einem verrückten Raumschiff“ oder „UHF – Sender mit beschränkter Hoffnung“ im englischen Original gesehen hat, der weiß, wie unübersetzbar manche der komisch gemeinten Bemerkungen tatsächlich sind. Vor dem gleichen Problem stand auch der Übersetzer dieses Werkes, denn an verschiedenen Stellen kann man merken, dass englische Wortspiele um „Reds“ oder „Snapshots“ mit „Rothäute“ (S. 104) oder „Schnappschüsse“ (S. 114) nur sehr dürftig übersetzt werden können.

Anachronismen: Obwohl bereits auf einige anachronistische Momente wie die klingonische Sprache, Uhuras Kenntnisse derselben oder Spocks Bekanntenkreis eingegangen wurde, bleiben noch genug Unstimmigkeiten, die man erwähnen sollte.
Die Klingonen werden dabei nicht nur in ihrer Sprache recht widersprüchlich zur bekannten Norm geschildert. Kennen wir die Kriegerrasse sonst als eine Gesellschaft, die sich von Gagh, Pipiusklaue oder Rokeg-Blutpastete ernährt, wird das leibliche Wohl der Vertreter in diesem Buch mit Eiertoast (S. 16) oder Steak (S. 17) gesichert. Auch die Verwendung von Rettungskapseln, wie sie zur Einführung Kadens genutzt wird, ist laut der ENT-Episode „Schlafende Hunde“ zumindest fragwürdig.
Doch die Klingonen sind nicht die einzigen, die schlecht getroffen werden. So kann man auf gleich zwei Seiten miterleben, wie die Vulkanierin T’Vau mit den Fingern isst (vgl. S. 12 und S. 21), obwohl T’Pol in „Broken Bow“ zu Protokoll gab, dass dies ein absolutes Tabu in ihrer Gesellschaft sei.
Zudem wird in der Serie Enterprise durch den Charakter Erika Hernandez klargestellt, dass es bereits vor Kirk weibliche Captains gab, und diese Kariere in der Sternenflotte des 23. Jahrhunderts damit kein Ding der Unmöglichkeit ist (vgl. S. 103).
Und Stichwort Sternenflotte und Föderation: Warum wundert sich niemand, dass es eine menschliche Kolonie auf einem Planeten mit indigener Bevölkerung gibt? Natürlich hat Kirk des Öfteren bewiesen, dass er es mit der Ersten Direktive nicht so genau nimmt, aber eine solch drastische Aktion wirft schon die Frage auf, welche Bedeutung dieses zentrale Gesetz überhaupt hat, wenn sich niemand daran hält.
Zudem tappt der Roman in die altbekannte Falle, in längst überholten Finanzsystemen zu schwelgen. Nicht weniger als zehn Belege monetärer Wirtschaft (S. 8, S. 12, S. 23, S. 24, 2x S. 27, S. 144, S. 152 und S. 154) stehen in direktem Kontrast zur Angabe in Star Trek IV, nach der Geld in der Zukunft nicht mehr existiert.

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qagh Sopbe'!

Fazit: Was als „Der witzigste STAR TREK-Roman aller Stern-Zeiten!“ angepriesen wird, kann seinem Anspruch auf keiner Seite gerecht werden. Bei aller Einzigartigkeit dieses Werkes ist er bestenfalls mäßig witzig, unübersichtlich und voller Widersprüche zum Kanon. Die vielen technischen, sprachlichen und musikalischen Sonderwege führen ihn weiter ins Abseits.
Daher ist es nicht verwunderlich, wenn man zum Lesen dieses Buches mehrere Anläufe benötigt, denn es ist bestenfalls ein Nischenwerk, das eine nähere Beschäftigung allerdings kaum rechtfertigt.

Denkwürdige Zitate:

"Gmltfrbl." McCoy, S. 10

"Kampfarchäologen, erstes Bataillon." Kirk, S. 93

Warum müssen diese Leute dauernd singen?Sulu, S. 135

"Es gibt nur einen Grund, warum die Enterprise noch keinen Schrottplatz ziert - weil mit Kaugummi zusammengehaltene Pappe derzeit schlechte Preise erzielt!", Maglus, S. 146

Bewertung: So witzig wie eine akute Magen-Darm-Grippe.

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5 Kommentare:

  1. Nanana, nix gegen Videokassetten, gelle, habe ich doch erst vor einigen Tagen meine alte Kartonbox entrümpelt und dort einige Perlen des Actionkinos ausgegraben. Zudem habe ich noch tonnenweise Star Trek-Material auf Video ;-)

    PS: Mal wieder Top-Reviews von dir. "Was kostet dieser Planet" hab ich damals vor gut 8 Jahren in den Ferien mal begonnen - und nicht beendet, was also dein Review total bestätigt.

    Well done as usual!

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  2. Was bedeutet denn qagh Sobe'?

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  3. Hallo Anonym!

    Dieser klingonische Sinnspruch ist Marc Okrands Werk "Die Ehre der Klingonen" (Heel, 1996/1997, S. 137) entnommen, und bedeutet "Er ist kein gagh!". Die Redewendung wird dort als Beleidigung auf Personen angewendet, die sich merkwürdig oder verdächtig verhalten.
    Ich für meinen Teil finde Eiertoast- und Steakverzehrende Klingonen äußerst merkwürdig und verdächtig...

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  4. Ich fand das Buch furchtbar. Es war total langweilig und hat mich überhaupt nicht begeistert.

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  5. Naja, gaaanz so furchtbar fand ich es nicht, aber es ist schon reichlich albern. Aber zumindest ist es nicht langweilig, was man nicht von jedem ST-Roman behaupten kann...

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