Freitag, 18. September 2009

Der Preis der Ehre

Buchbesprechung Stern, Dave: Der Preis der Ehre. Heyne 2002.

Photobucket

Story: Lieutenant Reeds Dienst auf der Enterprise NX-01 war in den letzten Tagen alles andere als abwechslungsarm. Er hat eine romantische Beziehung begonnen, seinen Captain auf einen verwüsteten Außenposten einer unbekannten Spezies begleitet und einen seiner Untergebenen verloren.
Zu allem Überfluss hat sich Reed genauer gesagt in eine seiner Untergebenen verliebt, die nach einer Außenmission auf einer unbekannten Welt unter mysteriösen Umständen verstirbt. Der Sicherheitschef muss sich nun die einzelnen Teile dieses anspruchsvollen Puzzles selbst Stück für Stück zusammenfügen und der Umstand, dass sein Schiff dabei genau in die Fronten eines Krieges zweier unbekannter Rassen gerät, macht seine Untersuchungen nicht einfacher.
Schließlich kommt Reed dem Geheimnis doch noch auf die Spur. Des Rätsels Lösung liegt in den Artefakten einer uralten Zivilisation, deren Überresten auf dem Außenposten archäologisch untersucht wurden und somit macht sich Reed zu dieser Stelle auf, um endlich Antworten zu erhalten. In den Ausgrabungsstätten auf der Planetoidenoberfläche kommt es zu einem Showdown: Reed wird angegriffen, überrumpelt, und sieht sich schließlich einer auf ihn gerichteten Waffen gegenüber. Er wird gezwungen, sich der fremden Technologie auszusetzen und trifft plötzlich auf jemanden, mit dem er nicht mehr gerechnet hat...

Lobenswerte Aspekte: Na klar - wer Dave Stern heißt, ist prädestiniert dafür, Science-Fiction zu verfassen. Doch das Genre ist herausfordernd und wenn man sich als Autor in das Star-Trek-Universum wagt, sogar ein besonders heißes Pflaster, das mit kritischen Fans, einer eigenen Atmosphäre und seinem reichlichen Pensum an Hintergrundinformationen schnell zum Stolperstein für einen Schriftsteller werden kann.
Doch Stern ist ein alter Hase und versteht sein Handwerk meisterlich. Die Konzeption der Geschichte mit ihren ständigen zeitlichen Sprüngen, Rückblicken und Erinnerungsmomenten ist zwar sehr anspruchsvoll, aber noch immer überschaubar gestaltet. Wie die Hauptfigur Malcolm Reed muss sich der Leser die einzelnen Handlungsstränge selbst erarbeiten und zusammenfügen. Am Ende gelangt man zusammen mit Reed zur tief in den einzelnen Kapiteln verschachtelten Lösung, auch wenn diese sicherlich zuvor abzusehen ist. Doch die Enterprise ist ein so eine Art Fahranfänger auf der Milchstraße, und muss die vielen Fehler erst noch begehen, die uns aus späteren Zeiten bereits hinlänglich bekannt sind. So gesehen ist gerade die Konzentration auf die antike Technologie fraglos ein interessanter Aspekt.
Wenn nämlich bei Deep Space Nine in der Episode "Die Abtrünnigen" eine archäologische Brücke zur TNG-Folge "Die Iconia-Sonden" geschlagen werden kann, ist es nur legitim, dass sich ein ENT-Roman in gleicher Weise an die zeitlich nächste Serie herankuschelt. Dies wäre natürlich TOS und die Verbindungen zur letzten je gedrehten Episode des bunten Star-Trek-Ursprungs "Gefährlicher Tausch" ist so einfach wie genial. Als Serie, die weit vor den Abenteuern Kirks spielt, ist es immerhin nur recht und billig, auch die Ursprünge dortiger Geschehnisse näher zu beleuchten, und die Frage, woher die Technologie des Planeten Camus II überhaupt stammte, wird hier in beeindruckender Art und Weise aufgelöst.

Photobucket
Gefährlicher Tausch reloaded

Besonderes Lob verdient außerdem die Zentrierung des Geschehen auf Reed. Aus seiner Perspektive gab es auch in der Serie viel zu wenig zu sehen und Stern schafft es, seinen Hauptcharakter glaubhaft und mit den Beschreibungen aus der Serie konform zu halten, ohne in kitschige oder plakative Momente abzugleiten.
Doch auch die kleinen Höhepunkte des Werkes sind erwähnenswert. Es sind nämlich jene fast unscheinbaren Stellen, die dieses Buch ausmachen. Nur wenige subtile Referenzen beziehen sich auf zuvor in der Serie erwähnte Ereignisse und sie sind stets so dezent und einfühlsam platziert, dass sie die Geschichte ausschmücken ohne aufgesetzt zu wirken. So lassen sich Bezüge wie der vermeintliche Ruf der Enterprise (S. 170), Schießübungsprobleme Harts (S. 61) oder Interkomrufe Mayweathers (S.- 135) meist nur auf den zweiten Blick mit Episoden wie "Durch die Wüste", "Schlafende Hunde" oder "Der kalte Krieg" in Verbindung bringen. Daneben gibt es auch ganz profane Bemerkungen, die bei genauerer Überlegung recht philosophisch anmuten. So kann man in etwas scheinbar banalem, wie beispielsweise der Dialogbemerkung, dass Sarkassianer Kulturen mit Begräbnisriten für primitiv halten, tatsächlich die eigene Kultur hinterfragen und etablierte Traditionen in einem neuen Licht sehen. Selbst die Tatsache, dass die Handlungen der Figuren Roan und Alana Hart auf so unterschiedliche Weise von militärischen Massakern geprägt wurden, und auf welche Weise diese Tatsache beide Personen unterschiedlich reagieren lässt, ist spannend geschildert und drängt dem Leser die Frage auf, wie man selbst am besten mit Schuld und Verantwortung umgeht.

Kritikwürdige Aspekte: Schade ist natürlich, dass man nicht, wie etwa in "Das Rätsel der Fazi" auf bekannte Nebenrollen einging, sondern neue erschuf. Natürlich ist das möglich, bei einer Besatzung von achtzig Mann jedoch etwas fragwürdig. Tatsächlich erinnerte mich die tragische Heldin Alana Hart eher an einen MACO und Wortspielereien mit dem Titel des einzigen gesungenen Intros der Star-Trek-Geschichte liegen nahe.



Faith of the Hart - näher am Original? (man beachte die 'innovative' Textinterpretation und Grammatik)

Doch eigentlich gibt es neben den später näher zu erläuternden Anachronismen nur ein großes Manko: Die Übersetzung des Heyne-Verlags. Wieder einmal werden deutschen Entsprechungen zum Trotz Begriffe wie "Starfleet" (S. 8) oder "Starbase" (S. 102) unübersetzt übernommen und dass ohne Rücksicht auf anders lautende Dialoge in allen Star-Trek-Serien an einem ungebräuchlichen Genus für das Wort "Shuttle" (vgl. S. 141 und S. 203) festgehalten wurde, ist ärgerlich. Doch dann auch noch andere etablierte Begriffe wie "Erden-Schiff" oder "Bereitschaftsraum" durch "Terranisches Schiff" (S. 209) und "Situationsraum" (S. 134) zu ersetzen, kann man kaum noch anders als 'ignorant' bezeichnen.
Als wäre dies nicht genug, gesellen sich noch kleinere Schussligkeitsfehler wie "Alane" (S. 23) oder "Minschara" (S. 263) zu größeren grammatischen Flüchtigkeitsergebnissen wie "[...] von der Verteidiger Talbot." oder "Er hatte beobachtete, [...]" (S. 242).
Positiver Höhepunkt der Übersetzung ist sicherlich der Verzicht auf die fehlerhafte Verbform "desaktivieren" (vgl. S. 235 und S. 240) und der Reeds Fehler, Hoshi Sato als "Ensign Hoshi" (S. 186) vorzustellen, ist einfach stumpf aus dem englischen Original übernommen worden.

Anachronismen: Die vielen Anachronismen sind der störendste Moment dieses Buches, und die Fehler beginnen bereits, bevor der eigentliche Roman einsetzt, denn die Datenangaben sind grundweg falsch. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass der einzige deutschsprachige ENT-Roman des Heyne-Sortiments, der überhaupt Daten benutzt, Logbuchauszüge vom 15. Januar 2151 verwendet, obwohl die Enterprise erst am 12. April des Jahres vom Stapel läuft ("Broken Bow"). Entgegen dem offiziellen Kanon ist hier von gleich zwei Shuttle-Hangars die Rede (vgl. S. 16 und S. 112) und auch die Sternenbasen, die Tucker anspricht (S. 102), kann es eigentlich noch nicht geben, da die Enterprise in der Episode "Die Verbindung" nach einem Standort für die erste Sternenbasis der Sternenflotte Ausschau hält.

Fazit: Der vorletzte Band der Enterprise-Bücherreihe aus dem Hause Heyne ist das beste, was man zu dieser Serie im deutschsprachigen Bücherraum kaufen kann. Die Story ist komplex verschachtelt, aber dennoch spannend, logisch und gut aufgebaut. Äußerst gelungen wird mit der TOS-Episode "Gefährlicher Tausch" angebändelt und geschickt wob Stern auch verschiedene Informationen aus den bisher erschienenen Episoden in seinen Roman ein. Nur die Übersetzungsfehler und Anachronismen können das runde Bild schmälern, doch auch sie halten sich in Grenzen.
Mit "Der Preis der Ehre" braucht der Autor Dave Stern daher den Vergleich mit anderen Büchern aus der Feder Mangels, Macks oder Davids nicht zu scheuen.

Denkwürdige Zitate:

"Der Weg zur Hölle und so weiter..."
"Eine weitere Redensart, Commander?"
"Eine die ich besonders mag. Sie bedeutet, dass bei den besten Vorsätzen der Schuss manchmal nach hinten losgeht."
"Ein Schuss, der nach hinten losgeht?"
"Lassen wir das."
Trip und T'Pol, S. 143

"Zum Teufel auch, ich weiß gar nicht, warum wir solche Besprechungen veranstalten. Du läßt dich ohnehin nicht umstimmen, wenn du einmal eine Entscheidung getroffen hast?"
Trip Tucker, S. 171

Bewertung: Der beste Heyne-Enterprise-Roman.

Photobucket

Weiterführende Leseliste:

Die bei Heyne erschienenen deutschsprachigen Enterprise-Romane:

Aufbruch ins Unbekannte
Das Rätsel der Fazi
Der Preis der Ehre
Suraks Seele

1 Kommentar:

  1. Dein Fazit kann ich nur bestätigen. Im Gegensatz zu "Aufbruch ins Unbekannte" und "Rätsel der Fazi" ist "Preis der Ehre" ein richtig gutes Buch.

    AntwortenLöschen