Montag, 27. April 2009

Die Station der Cardassianer

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Buchbesprechung Jeter, K.W.: Die Station der Cardassianer. Heyne, 1993.

Story: Deep Space Nine wird wieder einmal von den Cardassianern bedroht. Diesmal jedoch nicht mit Waffen, sondern mit einem Projekt, dass die Bedeutung der Station ad absurdum führen könnte: Eine Expedition der ehemaligen Besatzer versucht, auf der anderen Seite des Wurmloches eine eigene Station zu errichten.
Natürlich bemüht sich die Führungsriege auf DS9 umgehend, diesem Plan etwas entgegenzusetzen und schickt eine mobile Quarantänesubstation in den Himmelstempel, um den Cardassianern zuvorzukommen. Doch an Bord des beengten Moduls ist Kira Nerys einem wahnsinnigen religiösen Fanatiker ausgeliefert, der davon besessen ist, das Wurmloch zu zerstören und Kira zu töten…

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Augen auf in Quarantänemodul: Der Tod fährt mit

Lobenswerte Aspekte: "Die Station der Cardassianer" ist durchaus spannend zu lesen und einige Ideen sind so gut, dass sie später sogar von der Serie, bewusst oder unbewusst, adaptiert wurden. Das Buch erschien zur ersten Staffel und schafft es, der Serie einen Punkt vorwegzunehmen: Die Redemptionisten erinnern in ihren Grundzügen stark an den „Kreis“, der zu Beginn der zweiten DS9-Staffel für Unruhe auf der Station sorgte.
Ich finde es weiterhin nur logisch, dass man versucht, auch auf der anderen Seite des Wurmloches Präsenz zu zeigen. Schließlich ist das Maß an Kontrolle über diese „Abkürzung“ relativ, wenn man nur einen Ausgang beherrscht. Nicht zuletzt die Dominion-Kriege haben dies eindrucksvoll bewiesen. Ich für meinen Teil habe es in Spielen wie „Birth of the Federation“ stets bevorzugt, beide Enden eines Wurmloches zu sichern, denn Vorsicht ist ja bekanntlich besser als Nachsicht.
Auch das Quarantänemodul, als medizinische Isoliermöglichkeit auf einer Raumstation mit so lebendigem Durchgangsverkehr, ist durchaus eine Überlegung wert. Wer weiß schon, was für Krankheiten die verschiedenen Bajoraner, Menschen, Cardassianer und Formwandler alles einschleppen könnten? In Episoden wie „Babel“ oder „Metamorphose“ wäre es sicherlich von Vorteil gewesen und die Option, das Modul durch gezielte Sprengung ausradieren zu können, hätte jenen Folgen noch ein wenig mehr Spannung verliehen.
Abschließend sollte auch noch lobend erwähnt werden, dass der Übersetzer einen guten Wechsel zwischen Duzen und Siezen bei Jadzia Dax und Benjamin Sisko einführte und diesen auch nachvollziehbar begründete.

Kritikwürdige Aspekte: „Die Station der Cardassianer“ ist, wie bereits angemerkt, ein Roman, der unmittelbar nach der Erstausstrahlung des Pilotfilms erschien. Dies führt einerseits dazu, dass einige Entwicklungen vorweggenommen wurden, während es auf der anderen Seite jedoch auch eine ganze Reihe von Anachronismen und Unstimmigkeiten auftauchen, die das Lesen erschweren.
Besonders an Odo bleiben diese kleinen Fehler kleben wie an einem Zuckerlolli. So erfahren wir und ein cardassianischer Sicherheitsoffizier, dass Odo in seinem Quartier ein badewannenähnliches Becken zur Regeneration nutzt. Abgesehen davon, dass, wann immer sein Quartier in der Serie gezeigt wurde, niemand dieses Becken jemals gesehen hat, hat der Formwandler eigentlich einen Eimer, den er für seine Ruhephasen nutzt und er schätzt seine Privatsphäre so sehr, dass er das Innere seines Quartiers nur gegen großen Widerstand anderen zu zeigen gewillt ist.
Unwahr ist auch, dass Odo über keinerlei Emotionen verfügt, denn seine spätere Liaison mit Kira wäre demnach ja nie passiert. Wahrscheinlich um diesen Faux-pas auszugleichen, gestattete es der Autor K.W. Jeter dem Wechselbalg, Bier zu trinken, obwohl dieser Getränke stets (abgesehen von der fünften Staffel, in der Odo zum „Solid“ degradiert wurde) mit dem Hinweis darauf ablehnte, sie nicht zu benötigen.
Aber die Beschreibung der gesamten Station ist gespickt mit Unwahrheiten. So erfährt der kopfschüttelnde Leser, dass die Zellen des Sicherheitsbereiches noch Gitter haben, dass man von Quarks Tresen aus den besten Blick über das Promenadendeck hat und dass Quarks Bar über Sitzecken verfügt, die man mit schalldichten Kraftfeldern abschirmen kann.
Aber das sind noch nicht einmal die schlimmsten Unstimmigkeiten! Obwohl Deep Space Nine eine bajoranische Station ist, wird behauptet, dass die Cardassianer eine Erlaubnis der Föderation zur Passage des Wurmlochs benötigen. Darüber hinaus widerspricht Jeter dem allgemeinen Kanon auch noch mit der Aussage, dass alle Schiffe, die das Wurmloch passieren, eine Art „KAT“ für ihren Impulsantrieb benötigen, da sonst die Wurmlochwesen getötet werden. Daher rüsten die Ingenieure um Chief O’Brien jedes Schiff, dass den Tempel der Propheten für einen Durchflug nutzen will, mit diesem Gerät aus. Was aber ist mit den Schiffen des Dominion? Oder warum betrieb die von Pah-Geistern besessene Keiko in „Die Erpressung“ einen so riesengroßen Aufwand, wenn sie nur ein Schiff ohne Impulsabsorber in die Heimat ihrer Feinde schicken müsste?
Hinzu kommt, dass auch bei den Bajoranern ähnliche Anschlussfehler zu finden sind. Abgesehen davon, dass von Kiras „Clan“ (S. 136) gesprochen wird, hat mich die Schilderung der Ereignisse um die Besetzung Bajors ab und zu irritiert, denn hier wurde ein junger Mönch, der sich eigentlich um das Seelenheil der Partisanen kümmern sollte, als „Politoffizier“ beschrieben, der vom „Hauptquartier“ (beides S. 154) geschickt wurde.
Am unsinnigsten fand ich allerdings, dass Chief O’Brien und Jadzia Dax mit Schiffen im Gamma-Quadranten kommunizieren konnten, obwohl das Wurmloch zuvor kollabierte! Eine Quadranten übergreifende Kommunikation würde ganze Folgen wie „Trekors Prophezeiung“ oder komplette Serien wie „Star Trek:Voyager“ unsinnig machen und beweist letztendlich, dass der Autor sich zu oft aus dem Fenster lehnt und es geradezu darauf ankommen ließ, dass sein Werk vom Kanon überholt werden würde.
Als eher erheiternd empfand ich dieses Mal die Übersetzung. Natürlich gab es wieder einmal die typischen Übersetzungsnachlässigkeiten („Holokammern“ statt „Holosuiten“, S. 82, „Quadrant Gamma“ statt „Gamma-Quadrant“, S. 69 oder „Flitzer“ statt „Runabout“, S. 77), Wortneuschöpfungen („desaktivierte“, S. 164 oder „ memoriale Szenen“, S. 207), Rechtschreibfehlern („Kom-Baken, S. 216“) und Grammatikschnitzern („[…] in Deep Space Nine […]“, S. 11), aber andere Selbstverwirklichungsversuche des Übersetzers waren wirklich genial. So wird die Föderation im Laufe des Textes allen Ernstes als „[…] der interstellare Völkerbund […]“ bezeichnet (S. 16)!
Doch noch großartiger fand ich den Satz „Während der letzten Zeit hatte die Bevölkerung von Deep Space Nine sehr zugenommen.“ (S. 22), der wunderbar mit der unfreiwilligen Verdrehung der Redensart „Ganz gleich, wie sehr sie mit sich selbst ins Gewicht gehen[...]“ (Sisko zu Kira, S. 105) harmoniert. Es gibt in diesem Universum wohl kaum eine galantere Art und Weise, einer Frau mit einem Freudschen Versprecher zu sagen, dass sie zuviel Speck auf den Rippen hat.
Gestört hat mich schließlich ein letzter, typisch amerikanischer Fehler. Als O’Brien und Sisko sich einen Drink teilen, wird guter"irischer Whisky“ angepriesen. Klar, dass der alte Ire Miles den schottischen und amerikanischen Spiritousenvarianten nichts abgewinnen kann, und wie man in der später folgenden Episode „Nachempfindung“ erfahren kann, sollte der Autor auch recht damit behalten. Entgegen der Rechtschreib- und Destilliertraditionen in den USA und Schottland, schreibt man es im Irischen jedoch „Whiskey“, wie man auf jeder guten Pulle Tullamore Dew, Clontarf oder Bushmills nachlesen kann.
Doch zurück zur eigentlichen Geschichte. Es bleibt zu bemerken, dass die Charakterskizzen, die Jeter in der Kürze der ihm zur Verfügung stehenden Zeit schuf, an zu vielen Stellen hinken und dadurch die einzelnen Figuren, allen voran Dr. Bashir, zu oft schlecht nachempfunden wirken. Dadurch, dass seine Haupthandlung um die isolationistische bajoranische Splittergruppe später von der Serie überholt wurde, wäre ein Ausbau der Nebenhandlung um die cardassianische Station, wie es der Titel ja eingentlich verspricht, ungleich interessanter gewesen. Hätte der Autor sich mehr darauf konzentriert, wäre das Buch auch viel lesenswerter.

Anachronismen: Nachdem bereits Kirk in Star Trek IV: Zurück in die Gegenwart Gillian Taylor darauf hinwies, dass es in seiner Zeit kein Geld mehr geben würde und auch Jake Sisko Nog gegenüber explizit davon sprach, dass die Menschheit das Streben nach Reichtum zugunsten der Eigenverwirklichung aufgegeben hat („Die Karte“), wird in diesem Roman desöfteren von den Kosten gesprochen, die Deep Space Nine verursacht und darüber hinaus werden sogar Zahlungen erwähnt, die von der Erde an die Station überwiesen werden, um sie in Betrieb zu halten.
Auch der Baseball, den Sisko im Buch an Bashir verschenkt, gerät auf mysteriöse Art und Weise zurück auf seinen Platz, wo ihn selbst Gul Dukat während der Besetzung der Station durch das Dominion belässt.
Obwohl die Idee mit der Substation am anderen Ende des Wurmloches wirklich gut ist, entspricht auch sie nicht den in der Serie geschilderten Tatsachen. Spätestens in der Episode „Der Plan des Dominion“ hätte sie erwähnt werden müssen; da der Jem’Hadar Talak’talan sicherlich auch mit der Zerstörung der kleinen und kaum wehrfähigen Nebenstation geprahlt hätte.

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Von wegen zukünftiger Sozialismus: Menschen haben eben doch nur Augen für den schnöden Mammon

Fazit: „Die Station der Cardassianer“ kann vor allem mit guten Ideen wie dem Quarantänemodul und einer Substation punkten. Doch der Haupthandlung wurde durch die Serie eine Kanonentprechung entgegengesetzt, die sich negativ auf die Nachvollziehbarkeit der Geschichte auswirkt.
Außerdem bleibt festzuhalten, dass zu viele andere Aspekte mit den Informationen aus Star-Trek-Serien und -Filmen unvereinbar sind, was beim Lesen des Buchs zu oft einen faden Beigeschmack hinterlässt.

Denkwürdige Zitate:

Nach der cardassianischen Tyrannei ist 'Geduld' ein Wort, das sich bei Bajoranern nur wenig Beliebtheit erfreut." Kira Nerys, S. 27

Ich finde Ihr Interesse an meinen Körperfunktionen abscheulich und darf Ihnen versichern, daß ich über Ihre nicht Bescheid wissen möchte.“
Odo, S. 28

Major Kira,
[…] Wenn mir bekannt gewesen wäre, daß Sie eine Tendenz zu paranoiden Wahnvorstellungen aufweisen, hätte ich Ihnen einen psychiatrische Behandlung verschrieben.“ Dr. Bashir, S. 121

Bewertung:
Gut gemeint, aber etwas über das Ziel hinausgeschossen.

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1 Kommentar:

  1. Die Station der Cardassianer habe ich gerade gelesen, der Roman ist doch soooo langweilig :( Technobubble und bajoranisches Religionsgeschwafel - furchtbar!

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